KREISGEMEINSCHAFT BRAUNSBERG (OSTPREUSSEN)

Franz Buchholz: Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte (Festschrift vom Stadtjubiläum 1934)

V. Im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation

Die kühnen Lehren des Wittenberger Augustinermönchs Dr. Martin Luther hatten wie in allen deutschen Landen auch in Preußen ihre Wellen geschlagen. Aus einem Lehrstreit hatte sich bald eine romfeindliche Bewegung entwickelt, die in ihrer völkischen und religiösen Ideenverbindung eine Erneuerung der deutschen Kirche erstrebte und in weiten Kreisen des Volkes wie der Fürsten begeisterter Zustimmung, in anderen, konservativen Schichten aber auch entschiedener Ablehnung begegnete. Hochmeister Albrecht brachte bald der Wittenberger Lehre offene Sympathien entgegen. Im März 1523 richtete Luther ein eigenes Sendschreiben „an die Herren deutschen Ordens, daß sie falsche Keuschheit meiden." Am Weihnachtstage desselben Jahres hielt der samländische Bischof Georg von Polenz die erste evangelische Predigt im Dome zu Königsberg. Seine Verordnung, deutsch zu taufen und Luthers Schriften fleißig zu lesen, rief sogleich ein Gegenmandat des ermländischen Bischofs Ferber an seinen Klerus hervor, worin er ihn eindringlich beschwor, der alten Kirche Gottes die Treue zu bewahren (Januar 1524). Eine zur Abwehr verfaßte theologische Abhandlung des gelehrten Frauenburger Domkustos Tidemann Giese, die dieser auf Veranlassung seines gleichgesinnten Amtsbruders Nikolaus Koppernikus der Öffentlichkeit übergab, bewies, daß auch das ermländische Domkapitel bei aller Erkenntnis kirchlicher Mißbräuche und Mängel der lutherischen Lehre grundsätzlich abhold war. Dieser Kampf der Geister, in dem bald der machtpolitische Faktor der Landesfürsten in beiden Lagern den Ausschlag gab, spiegelte sich auch in der ermländischen Hauptstadt wider. Noch zur Zeit der Ordensbesatzung zeigte der van ihr abhängige Rat seine Hinneigung zu den neuen Ideen. Der frühere Stadtkommandant Friedrich von Heideck, der im Ordenslande umherritt, um die Bevölkerung für die Reformation zu gewinnen, meldete dem lutherischen Bischof Polenz, die Braunsberger wünschten einen evangelischen Prediger, und Polenz erklärte sich am 15. März 1524 bereit, ihnen einen Gelehrten zu schicken, der Pfarrer und Prediger zugleich sei - sie sollten ihn mit einem bequemen Haus versorgen. Am 19. April sandte er ihnen einen gewissen Christoph (Wedemann?). Obwohl Bischof Ferber dem Rat eine ernste Warnung zugehen ließ, entzog dieser dem Pfarrer, den Vikaren und anderen Priestern ihre stiftungsgemäßen Pfründen und verwandte sie vermutlich zum größten Teil für kommunale Bedürfnisse, teilweise auch für den Pfarrer des neuen Glaubens. Auch aus ihren Amtswohnungen wurden die katholischen Priester vertrieben und so der Mildherzigkeit ihrer Glaubensgenossen überantwortet.

Auch das Franziskanerkloster blieb von den religiösen Wirren jener Zeit nicht verschont. Am 20. März richtete Polenz an mehrere Ämter, darunter Braunsberg, den Befehl, die Kleinodien der Klöster zu beschlagnahmen. Der Bestand an Ornaten und Kirchenschätzen sollte aufgenommen werden, weil es sich an vielen Orten ereigne, daß die Mönche den Klöstern entliefen, wobei zu befürchten sei, daß auch Kleinodien entführt würden. Daher sollten diese wertvollen Inventarslücke im Beisein des Bürgermeisters in Verwahrung genommen und jedem Kloster nur ein schlichtes Meßgewand und das sonstige Zubehör zur Meßfeier, sowie ein silberner oder vergoldeter Kelch gelassen werden.

Am Gründonnerstag wurde den Franziskaner das Mandat über die Beschlagnahme der Klosterschätze zugestellt. Daraufhin bildete sich das Gerücht, der Hochmeister bereite eine Plünderung der Stadt vor, und es entstand eine ungewöhnliche Erregung. In der Nacht zu Karfreitag pflegte die St. Marienkirche für die Gläubigen offen zu stehen, und schon am frühen Morgen wurde eine Passionspredigt gehalten. Diesmal war aber der Guardian vor nächtlichen Störungen gewarnt worden, und deshalb hielt er Kloster und Kirche bis morgens 7 Uhr verschlossen, obwohl sich viele Beter vor den Türen einfanden. Andererseits hatten zwei Betrunkene, ein Fleischer und der Stadtknecht, nachts ihren Harnisch angelegt und eine drohende Haltung eingenommen. Nun hieß es, ein Königsberger habe für die Osternacht einen Überfall zum Zwecke der Plünderung angekündigt. Zur Abwehr entschlossen, zogen die Bürger am Vorabend des Festes ihre Rüstung an und rotteten sich drohend zusammen. Die Frauen und Jungfrauen aber verbargen ihr Geschmeide, das sie zu den Feiertagen so gern gezeigt hätten, weil sie der vermeintlichen Beraubung entgehen wollten. Burggraf Dohna hielt es nach diesen Vorfällen für geraten, den Mönchen nicht ihre Kleinodien zu nehmen; durch eine Besichtigung überzeugte er sich, daß sie noch alle vorhanden waren. Bald darauf befahl Polenz dem Rat der Stadt, das Silberwerk des Klosters in Verwahrung zu nehmen, da er erfahren hatte, daß ein beträchtlicher Teil der Wertstücke nach Danzig geschafft worden sei. 91

Daß bei dieser Revolte auch die altgläubige Gesinnung breiter Bevölkerungsschichten und die Beliebtheit der Mönche mitgewirkt haben muß, ist aus einer brieflichen Äußerung des Hochmeisters aus Nürnberg (27. 6.) ersichtlich. Er beklagt sich nämlich, daß „in Braunsberg und Bartenstein das gemeine Volk dermaßen verstockt ist, dem Worte Gottes zuwider zu handeln, und müssen daher besonders befürchten, daß die von Braunsberg Ursache suchen wollen, auf diese Weise wieder zum Bistum zurückzukommen." Deshalb hält er es für geraten, die zeitigen Prediger, die ihm an dem Mißerfolg schuld zu haben scheinen, zurückzuziehen und „andere ehrliche verständige" Männer zu berufen. Inzwischen hatte aber schon sein Stellvertreter Polenz im Mai seinen Offizial Johannes als Pfarrer nach Braunsberg geschickt. Wegen der Klosterschätze gab er Dohna den Rat, mit den Mönchen zu verhandeln, daß er ihr Silber zu treuer Hand in Verwahrung nehmen und einen Hinterlegungsschein daraus ausstellen wolle bis zur Rückkehr des Hochmeisters. Polenz hofft, die Franziskaner würden darauf eingehen, da sie sonst zu befürchten hätten, es würde ihnen bei einem Überfall alles mit Gewalt genommen werden. Ende November erhielt Dohna den Auftrag, zu dem am 6. Dezember in Königsberg stattfindenden Ständetag, nicht nur alles vorhandene Geld mitzubringen, sondern auch was er sonst an Barschaft, Silbergeld, Gold oder Kleinodien bei den Kirchen, Kapellen, Gilden oder Bruderschaften in seinem Amte aufbringen oder entlehnen könnte. Der Hochmeister benötigte dringend alle verfügbaren Mittel zu den bevorstehenden Friedensverhandlungen.

Kurze Zeit bevor die Ordensbesatzung gemäß den Bestimmungen des Krakauer Friedens aus Braunsberg abrücken mußte, wurde der frühere Braunsberger Bürgermeister Georg Schonwese festgenommen und zu Königsberg einem Verhör unterzogen, dem der neue Herzog, der samländische Bischof Polenz und andere hochgestellte Männer des herzoglichen Hofes beiwohnten. Schonwese, der bereits zu Beginn d. J. 1520 zweimal als politisch verdächtig gefangengesetzt und nach Königsberg geschafft worden war, scheint der Führer der katholischen, konservativen Volkskreise gewesen zu sein. Man warf ihm nun vor, er habe geheime Zusammenkünfte abgehalten und die Bürger am Ostersonnabend des Vorjahres zur Erhebung gegen die Ordensherrschaft aufgewiegelt. Er habe auch Reden gegen die neuen Prediger gefühlt wie: „Sie meinen nicht den Glauben, sondern wollen uns die Kelche und Monstranzen aus den Kirchen klauben, wir wollen sie totschlagen!" Schließlich sollte er behilflich gewesen sein, aus dem Franziskanerkloster Geld, Kleinodien und Silberwerk zu entwenden und nach Danzig zu schaffen. Die Untersuchung führte nach der Verteidigung des Angeschuldigten zu keinem rechten Ergebnis. Schonwese mußte freigelassen werden, als der Burgvogt Georg Pröck im Auftrage des polnischen Königs am 3. Juni Stadt und Schloß Braunsberg von der herzoglichen Besatzung übernahm.

Mit Albrechts abziehenden Truppen war vermutlich auch der lutherische Pfarrer Johannes abgereist, nachdem er mit seinen Predigten einen großen Teil der Gemeinde, an erster Stelle den Rat, für die Reformation gewonnen hatte. Der königliche Burggraf Pröck suchte aber das katholische Leben in der Stadt wiederherzustellen. Eine seiner ersten Maßnahmen war wohl, daß er die früheren Pfarrgeistlichen in ihr Haus zurückführte. Bürgermeister und Ratmannen wandten sich jedoch (am 24. 6.) an den lutherischen Bischof Polenz mit der Bitte, ihnen Johannes, den Pfarrer von Arnau, vielleicht ihren eben geschiedenen Prediger, binnen 8 Tagen zu senden, „der sie Evangelischer unnd Christlicher lere underweyssenn unnd das getliche wort predigen wolle." Sie wollten ihn samt seinen „Capellanen und dieneren" zur Genüge versorgen. Aber Pfarrer Johannes, dem die Stellung unter den veränderten politischen Verhältnissen gefährlich erscheinen mochte, entschuldigte sich mit „schwachheit und unvermogen seines Leybs", dafür wollte Polenz den Königsberger Kaplan Paul Pole schicken, der geneigt und gewillt war, sich als Prediger eine Zeitlang zu den Braunsbergern zu verfügen. Der samländische Bischof unterließ nicht zu bemerken, „das solcher Cristlicher Prediger sich ehelicher beweybbt." Vielleicht nahm der Rat an diesem Umstand Anstoß und verzichtete deshalb auf das Angebot. Jedenfalls ist Pole, der sich nunmehr als Kaufmann in Königsberg dem Handelsstande widmete und später eine preußische Chronik verfaßte, als Prediger in Braunsberg nicht nachweisbar. Dafür berief der Rat durch Peter Kirsten aus dem befreundeten Danzig, wo ebenfalls die Reformation Eingang gefunden hatte, einen unverheirateten Johannes Barbitonsoris (Bartscherer). Bürgermeister Gregor Rabe wies diesem das Priesterhaus zu, obwohl es von früheren Geistlichen mit ihrem eigenen Gelde erbaut worden war. Da sich die katholischen Priester weigerten, ihre Wohnungen zu räumen, ließ ihnen Rabe das Türschloß vom Hause abreißen.

Der religiöse Gegensatz nahm allmählich immer schärfere Formen an. Nach der katholischen Anklageschrift, von der noch 93  später zu sprechen ist, griff der lutherische Pfarrer in seinen Predigten Bischof, Domherren und andere Geistliche „mit überschwenglicher schmeung" an. Damit stand wohl in Zusammenhang, daß die altgläubigen Priester öffentlich auf den Gassen „als Übelteter, Betriger und reyßende Wolffe" angeschrien und ihre Türen besudelt wurden. Als im September der Aufstand der deutschen Bauern auch auf das Samland übersprang, ergriff Bartscherer in seinen Predigten für sie Partei und riet der Bevölkerung, ihre Reihen zu verstärken. Der ermländische Bischof entsandte freilich dem bedrängten Herzog Albrecht Hilfstruppen, um die revolutionäre Erhebung im Keime zu ersticken. Insbesondere eiferte der radikale Prädikant gegen das hl. Altarssakrament, in dem nicht Christus, sondern der Teufel enthalten wäre; wenn zur Wandlung geläutet werde, solle man weit fliehen und die Ohren zustopfen.

Da solche Reden den „Obersten der Stadt" gefielen, scheute sich Bürgermeister Rabe nicht, in Gegenwart seines Ratskumpans Leonard von Rossen und vieler anderer in seinem Hause beim Bierbrauen eine Spottmesse aufzuführen und aus einem Meßkelch den andern zuzutrinken. Vermutlich unter der Wirkung des Alkohols traten dann Rossen und Lorenz Schonrade in Priesterkleidung auf den Markt, äfften eine Messe nach und vergaßen sich in unsagbaren Schamlosigkeiten. Rabe ließ sich am 2. Adventssonntag weiter dazu hinreißen, bei der Messe in der Gründonnerstagskapelle, hinter dem Priester stehend, alle seine Zeremonien und Gebärden höhnisch nachzuahmen. Neue schwere Ausschreitungen ereigneten sich in der Christnacht, als Schonrade und Hans Fuchs mit ihrem Anhang in Bärenfellen und „an der Lotterbuben-Kleidung" während der Christmette mit großem Geschrei in die Pfarrkirche und danach in das Kloster eindrangen, dort einen wilden „Spuk" aufführten und den Gottesdienst unterbrachen. Ein andermal wurden Heiligenbilder aus der Kirche gerissen und mitsamt päpstlichen Briefen an dem „Kack" (Pranger) vor dem Rathaus ausgestellt. Alle diese Ausbrüche zügelloser Leidenschaften duldete der Magistrat, ohne einzuschreiten; gehörte ja ein Teil der Übeltäter zu seinen Mitgliedern.

Als nun der Burggraf Pröck einem königlichen Befehl zufolge anordnete, daß ein katholischer Priester in der Pfarrkirche predige, kam es mit Zulassung des Rates zu einem Aufruhr. Bürgermeister Rabe stieß den Ruf aus: „Ein Wolf, ein Wolf!" Dann riß man den Geistlichen vom Predigtstuhl, jagte ihn aus der Kirche, bedrohte andere Priester und gab dem lutherischen Prediger das Wort. In dem Tumult, der sich (94) nicht zuletzt gegen den anwesenden Burggrafen Pröck richtete, wäre beinahe Blut geflossen.

 Daß der Rat im Kampfe gegen den alten Glauben die Fühlung übernahm, ist auch daraus ersichtlich, daß er aus der Pfarr- und der Klosterkirche wertvolle Meßgeräte beschlagnahmte: aus der Katharinenkirche 8 silberne vergoldete Kelche, 6 silberne Ampullen, 2 Pazifikalien und 3 Humeralien. Diesem Beispiel folgend eigneten sich auch die Tuchmacher das zu ihrer Bruderschaft gehörige Silbergut aus der Pfarrkirche an, verkauften es und liehen den Erlös bedürftigen Zunftgenossen aus. Die Franziskaner vermißten noch später eine Monstranz von 27 Mark Silber, zwei kostbare Kelche und ein silbernes Kreuz.

Im März 1526 erschien König Sigismund in Marienburg, um die auch in anderen preußischen Städten, am meisten in Danzig, entstandenen Unruhen zu unterdrücken und möglichst die früheren kirchlichen Verhältnisse wiederherzustellen. Wiederholte königliche Mandate gegen die „Lutheranische ketzerer)" ließen es schon vorher dem Bürgermeister Rabe geraten erscheinen, den Prädikanten Bartscherer nach Danzig zurückzusenden, bis Sigismund nach Polen zurückgekehrt wäre. Bischof Mauritius hatte nun die Franziskaner beauftragt, die Predigten in der Pfarrkirche zu übernehmen. Diese wollten die lateinische Verordnung am 22. Februar dem Magistrat vorlegen, erhielten aber durch den Stadtbüttel den Bescheid, die Ratsherren seien augenblicklich zu sehr in Anspruch genommen. Am 24. früh forderte der Rat eine deutsche Übersetzung des Mandats, die ihm sofort übergeben wurde. Als es aber in der Magistratssitzung verlesen wurde, schimpften einige über die darin angekündigte Exkommunikation und stießen gegen den Bischof Drohungen aus. Andere äußerten, wenn die Mönche die Erlaubnis erhielten, den Predigtstuhl zu besteigen, dann sei zu befürchten, daß die bisherigen lutherischen Erfolge zunichte gemacht würden. Deshalb untersagte man den Mönchen bis zur bevorstehenden Ordnung der preußischen Angelegenheiten die Predigt in der Pfarrkirche. Diese fügten sich und baten den Bischof, ihnen das nicht zu verargen, da sie fortwährend Mißhandlungen ausgesetzt seien.

Im Juni wurde zu Danzig in Anwesenheit des Königs der Prozeß gegen die dortigen Aufrührer gefühlt. Die Hauptschuldigen wurden teils auf dem Langenmarkte mit dem Schwelte gerichtet, teils verbannt, teils waren sie geflohen. Diese strenge Bestrafung jagte den Braunsbergern, die sich an den Unruhen führend beteiligt hatten, Furcht und Schrecken ein. 95  Ein königliches Edikt, das ihnen ihre Vergehen und ihren Ungehorsam gegen die früheren Mandate vorhielt, zugleich aber auch zum Ausdruck brachte, die meisten Bürger seien an den gerügten Vorfällen unschuldig und keineswegs damit einverstanden, lud 20 namentlich aufgeführte Häupter der lutherischen Bewegung von Danzig aus nach Elbing vor. Am vierten Tag, nachdem der König dort eingezogen sein würde, sollte der Prozeß gegen sie beginnen. Diese Vorladung sollte zuerst in der Ratssitzung verkündigt und dann an den Kirchen- und Klostertüren allen sichtbar angeschlagen werden. Da Sigismund jedoch von seiner Elbinger Reise Abstand nehmen mußte, ließ er am 30. Juli von Marienburg aus eine zweite Zitation ausgehen, die nunmehr die Angeschuldigten vor die königlichen Kommissare, den Leslauer Bischof Matthias Drzewicki und den Elbinger Hauptmann Ludwig von Mortangen, zum 4. August nach Elbing vorlud.

Nach einer dritten Vorladung erschienen die Braunsberger am 6. August in Elbing; auch Bischof Ferber, dem in wenigen Tagen seine Hauptstadt in aller Form zurückgegeben werden sollte, hatte sich als der zuständige Kirchenhirte und zukünftige Landesherr den beiden Kommissaren beigesellt. Den Beschuldigten wurde nun die ausführliche Anklageschrift vorgelesen, worauf sie einzelnes abstritten, anderes abschwächten. Um aber dem Schicksal der Danziger zu entgehen, warfen sie sich der Kommission demütig zu Füßen und flehten Bischof Mauritius an, „wo sie immer übertreten und aus menschlichen Gebrechen als verführt mißhandelt hätten und derhalben sträflich erfunden würden, daß ihnen solche ihre Missitat als denjenigen, die geirrt hatten, aus milden Gnaden und Barmherzigkeit verziehen und um Gottes willen vergeben und die Schärfe des Rechtes wider sie nicht vorgenommen würde." Durch diese Haltung zu „mylder Guttikait" bestimmt, begnügten sich die königlichen Richter zunächst, Urban Poytke und Lorenz Schonrade als vermutliche Anstifter des Aufruhrs gegen Hauptmann Pröck zu verhaften, den anderen aber ernstlich anzubefehlen, die aus der Pfarrkirche und dem Kloster entwendeten Kleinodien und Geräte sofort und, soweit sie abhanden gekommen waren, binnen Jahresfrist zurückzustellen. Die letzte Entscheidung in der Strafsache sollte in Braunsberg fallen, wo am 16. August Bischof Ferber die beiden Kommissare empfing.

Am folgenden Tage begann im Franziskanerkloster die Verhandlung. Die Angeklagten baten kniefällig um Gnade. Obwohl sie sich gegenseitig nicht verraten wollten, verstärkte sich doch der Verdacht, daß der Bürgermeister Rabe, der Ratsherr Rossen und von der Gemeinde Peter Kirsten bei dem Aufruhr in der Kirche führend beteiligt gewesen seien. Ihre wiederholte fußfällige Bitte um Verzeihung bewog die Kommissare, von der vollen Strenge des Rechtes abzusehen und „linder" mit ihnen umzugehen.

Am 18. 8. wurden die Vertreter beider Stadtgemeinden und die Angeklagten ins Schloß befohlen. Der Bistumskanzler Felix Reich verlas ihnen eine Anzahl Artikel, die „zu Unterhaltung (Niederhaltung) der Mutwilligen, Trost der Frommen, auch Gedeih und Wohlfahrt dieser Stadt" fortan von jedermann unverrücklich gehalten werden sollten.

Der alte Gebrauch und Wandel des Glaubens und der Zeremonien wurde wiederhergestellt; alle Lutheraner mußten innerhalb 14 Tagen auswandern, wollten sie nicht mit ihrem Halse und ihren Gütern verfallen sein. Ohne Erlaubnis des Bischofs oder seines Ofizials durfte niemand weder heimlich noch öffentlich predigen bei Verlust des Leibes und Gutes. Die Geistlichen sollen die priesterlichen Tageszeiten und die Messe nach alter christlicher Gewohnheit halten; neue Gebete und Gesänge sind nur nach Zulassung durch die bischöfliche Behörde erlaubt. Wer „seine reißenden Hände" nach geistlichen Gütern, wie Kleinodien, Gewändern, Geräten der Kirchen und Klöster ausstreckt, soll als Kirchenräuber mit dem Tode bestraft werden. Wer kirchlich verbotene Bücher, Gesänge, Gemälde, Schmähschriften und dergleichen in die Stadt einführt oder verbreitet, wird mit Verbannung und Verlust der Güter geahndet.

Während diese Bestimmungen die religiöse Neuerung ausrotten sollten, griffen die folgenden tief in die städtische Verfassung ein:

Fortan sollte der bischöfliche Amtmann, er sei Vogt, Hauptmann oder Burggraf, als Vertreter des bischöflichen Landesherrn den Vorrang vor dem Bürgermeister und Rat der Stadt haben. Da die übermäßige Freiheit der Stadt zu ihrer großen Betrübnis und Gefahr vom Rate wiederholt mißbraucht worden und der jetzige Magistrat unrechtmäßig er wählt ist, soll dieser seine Ämter niederlegen. Der Bischof soll diesmal das Recht haben, anstelle des abgetretenen Rates einen neuen zu bestimmen. In Zukunft darf niemand ohne Wissen und Willen des Bischofs in den Rat gewählt werden; auch soll der Bischof berechtigt sein, nötigenfalls Bürgermeister und Ratmannen abzusetzen. Ihm und seinem Amtsverwalter allein soll auch die Halsgerichtsbarkeit zustehen; ahne seine 97 Genehmigung darf der Rat niemand freies Geleit noch Heereshaufen freien Durchzug gewähren. Neugewählte Ratmänner und Schöppen müssen dem Bischof den Treueid leisten, ebenso die Altermänner der Gewerke. Der Rat soll nur aus 14 Personen bestehen; wer in ihn gewaltsam einzudringen versucht, soll es mit dem Halse büßen. Versammlungen der ganzen Bürgerschaft sollen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Bischofs oder seine Amtsmannes gestattet sein bei Verlust aller städtischen Privilegien. Wenn aber besonders wichtige Angelegenheiten zu beraten sind, soll der Magistrat aus jeglichem Stadtquartier 6 „fromme und aufrichtige" Bürger und von jedem der 4 Hauptgewerke zwei Älterleute mit vollem Stimmrecht hinzuziehen, die aber nur über die vorgelegte Tagesordnung beraten dürfen. Beschlüsse des Rates, der Schöppen und der 32 sollen von der ganzen Gemeinde fest und unverbrüchlich gehalten und vollstreckt werden. Streitigkeiten der Bürger untereinander sollen in erster Instanz vom Rate oder dem Stadtgericht, in zweiter vom Bischof entschieden weiden. Geheime oder hetzerische Reden gegen geistliche Personen und die Obrigkeit sind untersagt. Aufrührerische Zusammenkünfte in Häusern, Kirchen, Gärten, in oder außerhalb der Stadt, sei es auch nur von 3 oder 4 Personen, sind sogleich dem Bischof anzuzeigen. Die Älterleute aller Gewerke sollen auf die zuwandernden Gesellen fleißig achtgeben, daß diese sich nach den geltenden Satzungen „fromlich, treulich und gehorsamlich" erweisen. Der Besuch der Schießgärten, namentlich des bürgerlichen, sowie die Abhaltung der Gilden und sonstigen Zusammenkünfte ist ohne Erlaubnis des Bischof oder seines Amtmannes nicht erlaubt. Alle Bierschenken, Krüger, Gastwirte und die Bürger insgemein werden angehalten, ihren Gästen diese Bestimmungen bekanntzugeben; und wenn ein Gast lutherische Reden führen oder Lehren ausbreiten wollte, soll er vom Burggrafen und dem Rat gemäß seiner Übertretung hart gestraft werden. Schließlich sollten diese Artikel „zum ewigen Gedächtnis" ins Stadtbuch eingeschrieben und alljährlich der Gemeinde vorgelesen werden. Dem Bischof blieb aber das Recht ihrer Aufhebung oder Abänderung vorbehalten.

Diese neue Satzung sollte nun von der Bürgerschaft beschworen werden. Als die anwesenden Vertreter sich zu einer Besprechung zurückzogen, machte der frühere Bürgermeister Johann Lutke darauf aufmerksam, daß mehrere Bestimmungen, besonders die über die Gerichtsbarkeit, gegen die Privilegien der Stadt verstießen. Als sie diese Bedenken erhoben, wurde ihnen von den Kommissaren entgegnet, sie hätten durch ihr 98 aufrührerisches Verhalten nicht nur ihre Privilegien, sondern auch Leib und Gut verwirkt; die oberste Gerichtsbarkeit stehe aber überall dem Landesherrn zu. Als die bürgerlichen Abgeordneten trotzdem bei ihren Einwendungen beharrten, drohten die königlichen Richter mit ihrer sofortigen Abreise. Schließlich einigte man sich dahin, daß der Artikel über die Halsgerichtsbarkeit der Entscheidung des Königs anheimgestellt werden sollte.

Dann beschwor die Bürgerschaft beider Städte einmütig die Satzung und leistete den Treueid. Der Bischof ernannte drei Bürgermeister der Altstadt: Simon Wynpfennig. Georg Schonwese und Laurentius Hasse; zu Ratsherren Lutke, Leonard Scholcz, Simon Steffen, Lorenz Zigler, Jost Weichman, den Goldschmied Peter Simon. Jorge Schonberg, Peter Braszke, Peter Austin, Simon Marquart, Joachim Flint, Valentin Gert, Hans Zincke. Als Scholz (Richter) sollte Simon tätig sein. In der Neustadt bestimmte der Bischof Jakob Trampe und Eltmann Scholtz als Bürgermeister und gab ihnen folgende Ratsleute bei: Hans Scholtz (zugleich Stadtschultheiß). Simon Bartsch, Nicklas Bibersteyn, Valentin Tidecke, Benedikt German, Jorge Grau und Christoff Tuchmacher.

Danach hielt der Bischof von Leslau als Kommissar eine Ansprache, worin er ausführte, wie wohlwollend die Königliche Majestät die aufrührerische Stadt behandelt habe, und daß sie sie sich dafür gleich den anderen rebellischen Städten in einer besonderen Steuer dankbar erweisen sollte. Nach anfänglichem Sträuben bewilligten die Braunsberger als Buße für drei Jahre die geforderte Abgabe. Darauf verpflichteten sich die Hauptschuldigen Rabe, Rossen und Kirsten eidlich mit Handschlag vor dem Burggrafen Pröck, keine Umtriebe zu schmieden, sondern dem Bischof zu gehorsamen bei Verlust ihres Lebens und ihrer Güter. Auf die Bitten der Bürgerschaft ließ der Elbinger Hauptmann Mortangen die verhafteten Rädelsführer Schonrade und Poytke frei, letzteren, nachdem er eine dreiwöchige Gefängnisstrafe verbüßt hatte.

Da nur 170 Bürger aus beiden Städten geschworen hatten, erhob sich bei der Kommission der Verdacht, daß viele sich mit Lift dem Eide entzogen hätten. Diese sollten nun vorgeladen werden. Zu dem bezeichneten Termin erschienen aber nur 5 Bürger, von denen zuvor zwei abwesend und drei verhindert gewesen waren. Die Unverheirateten hielten aber den Schwur noch nicht für nötig. Die geringe Bürgerzahl liefert uns einen eindringlichen Beweis für die verheerenden 99 Auswirkungen der letzten Kriegsjahre. Die sonstigen Einwohner der Städte wurden damals ebenso wie die Frauen zum Treueid nicht herangezogen.

Nachdem die königlichen Kommissare am 18. August ihre Sonderaufgabe gelöst hatten, entließen sie die Bürgerschaft aus dem im Vorjahre dem Polenkönig geleisteten Huldigungseid und übergaben die Stadt dem Bischof Mauritius und seinen Nachfolgern, dem jetzt ein neuer Treuschwur zu leisten war. Ein bischöfliches Edikt vom 22. August, das an die Kirchentüren geheftet wurde, gebot die Auslieferung aller lutherischen Schriften. König Sigismund bestätigte die Satzungen seiner Kommissare und behielt sich und seinen Räten wegen der Blutgerichtsbarkeit die Entscheidung vor.

Scharfe Eingriffe in die bürgerliche Selbstverwaltung und Freiheit waren es, die die religiöse Umwälzung der bischöflich-ermländischen Hauptstadt kosten sollte. Obwohl sie dem Wortlaut und Sinne der ursprünglichen Stadtverfassung, der Gründungshandfeste, widersprachen, lagen sie doch im Zuge der Zeit, die die landesherrliche Macht der Territorialfürsten auf Kosten der Untertanen steigerte. Hier boten die vorgefallenen Ausschreitungen die einfachste Handhabe zur Beschränkung der bürgerlichen Rechte. Trotzdem blieben die sog. Constitutionen Sigismunds mehr theoretisch als tatsächlich in Kraft. Die Beruhigung der Verhältnisse führte bald dazu, daß die beengenden Bestimmungen unbeachtet gelassen werden konnten, wie die Bischöfe auch in der Regel in die freie Kür der Stadt nicht eingriffen und bei ihrem Amtsantritt die alten städtischen Privilegien bestätigten.

Daß trotz der beschworenen Artikel und wiederholter bischöflicher Erlasse in der hart an der Grenze des lutherischen Preußen, an der wichtigsten Verkehrsstraße dorthin gelegenen Hansastadt die Ideen der Reformation nicht völlig ausstarben, wird bald zu zeigen sein.

Wie schwer die Stadt auch materiell unter dem Reiterkrieg gelitten hatte, ist daraus erkennbar, daß der bei der Belagerung d. J. 1520 beschädigte Kirchturm erst i. J. 1536 wiederhergestellt wurde. Und auch jetzt sah man sich genötigt, mit Zustimmung des Bischofs für 283 M. Silberwerk der Kirche zu verkaufen. Der Wormditter Maurermeister Niclis arbeitete vom 27. März bis nach Michaelis am Turm. Die Eindeckung des Turmes mit Kupfer erfolgte erst i. J. 1544, und Bischof Johann Dantiskus bestellte dazu bei Anton Fugger in Augsburg 20 Zentner Kupfer, die über Danzig geliefert und mit jährlich 100 M. allmählich bezahlt werden sollten.

Wie zwei Bände Hansarezesse im Ratsarchiv beweisen, pflegte Braunsberg noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dieser bedeutenden Handelsorganisation trotz ihres offensichtlichen Niederganges rege Beziehungen. 1553 reisten bevollmächtigte Ratsvertreter in hanseatischen Angelegenheiten nach Danzig, 1554 nach Marienburg, 1557 nach Lübeck. 1555 erbat sich Merten Marquart für seinen Sohn, der mit Waren nach England fahren sollte, ein Beglaubigungsschreiben, daß er ein Braunsberger sei. Ein schwedischer Krieg, der Vorstoß der Moskowiter gegen Livland, die Beeinträchtigung des deutschen Handels in England, das mehr und mehr zu eigener Aktivität überging, in den Niederlanden, wo der Freiheitskampf gegen Spanien entbrannt war, — solche Sorgen bildeten Verhandlungspunkte der immer seltener werdenden Hansatage, bei denen das reiche Danzig meist die kleineren preußischen Schwesterstädte zu vertreten pflegte. 1598 wurde zu Lübeck noch einmal der Hansabund erneuert und auch Braunsberg als Mitglied ausdrücklich benannt. Trotzdem war sein Schicksal bereits besiegelt, und der dreißigjährige Krieg tat ein übriges. Die Braunsberger Hansaakten schließen mit dem Jahre 1604 ab, obwohl noch 1681 der altstädtische Rat sein Seerecht und seine hanseatische Würde betonte, da Braunsberger Schiffe zu ausländischen Küsten, namentlich nach Schweden, Dänemark und Holland, kreuzten.

Über die Handwerkerinnungen jener Zeit gibt uns eine Notiz aus dem Jahre 1561 interessanten Aufschluß. Damals wurde in der Stadtfreiheit ein neuer Galgen für die Verbrecher der Altstadt errichtet, wie für die Neustadt auf dem kahlen Berge in der Nähe der Rochuskapelle (auf dem heutigen Bahnhof) die Richtstätte lag. Nach altem Brauch mußte beim Behauen des Holzes der präsidierende Bürgermeister den ersten Hieb tun, dann folgten die übrigen Herren des Rates nach ihrem Dienstalter. Zur Aufrichtung des Galgens mußten aus jeder Innung zwei Vertreter anwesend sein. Damals standen in der ersten Reihe die Schuster, Schneider, Bäcker, Tuchmacher, Böttcher, Schmiede, Krämer, Fleischer, Kürschner, Radmacher, Reifschläger und Leinweber. Die Tischler, Barbiere, Korkenmacher, Sattler, Hütner (Hutmacher), Töpfer und Maurer bildeten damals kein Gewerk. Andere Handwerkszweige, die nur mit einzelnen Meistern in der Altstadt vertreten waren, schlugen sich zu verwandten Innungen.

Nachdem Jahrzehnte des Überganges manche Unklarheit und Zweideutigkeit mit sich gebracht hatten, sollte das Konzil von Trient (1545 - 63) die endgültige religiöse Scheidung der 101 Geister herbeiführen. Bischof Stanislaus Hosius (1551 bis 1579), der an den Arbeiten der Kirchenversammlung, zuletzt als päpstlicher Legat und Kardinal hervorragenden Anteil nahm, ging mit Eifer daran, die Beschlüsse des Konzils in seiner Diözese zu verwirklichen. In Braunsberg hatte sich inzwischen um den Burggrafen Johann von Preuck ein Kreis einflußreicher lutherischer Glaubensgenossen geschart. Dieser, der i. J. 1552 seinem Vater Georg im Amte gefolgt war, wurde durch seine Heirat mit einer Tochter des Marienburger Woywoden Achatius von Zehmen, eines Führers der westpreußischen Protestanten, für deren religiöse Anschauungen gewonnen. Durch persönliche Unterredungen suchte der Bischof die Eheleute zu beeinflussen, stieß aber besonders bei der Frau auf entschiedenen Widerstand. Da er einen andersgläubigen hohen Beamten nach dem Grundsätze wessen Land, dessen Religion, den eben der Augsburger Religionsfrieden für Deutschland festgesetzt hatte, in seinem Ländchen nicht dulden wollte, stellte er im Herbst 1556 dem Schloßhauptmann Amtsentsetzung und Ausweisung in Aussicht, wenn er nicht binnen Jahresfrist zum Katholizismus zurückgekehrt wäre. Gestützt auf den weitreichenden Einfluß, den sein Schwiegervater in Preußen und selbst am polnischen Hofe ausübte, glaubte Preuck den Drohungen seines bischöflichen Landesherrn trotzen zu können. Allein dessen Wille erwies sich als der stärkere, und so mußte nach erneuten vergeblichen Bekehrungsversuchen der Burggraf Ende 1557 sein Amt niederlegen. Doch durfte er auf seinem Gute Regitten bleiben, wo seine Mühle der Amtsmühle erhebliche Konkurrenz machte. Hier in der Nähe der Stadt wußte er in den obersten Schichten der Bevölkerung für seine protestantischen Ideen Anhänger zu werben. Der Frauenburger Domkustos Eustachius von Knobelsdorff, der in seiner Scholarenzeit zu den Füßen der Reformatoren in Wittenberg gesessen hatte, hielt in der Fasten- und Osterzeit 1558 im Auftrage des Bischofs eine Reihe von Religionsvorträgen in der Pfarrkirche, um die Andersgläubigen umzustimmen: doch blieben seine Darlegungen ohne besonderen Erfolg.

Stanislaus Hosius, Kardinal, Bischof von Ermland
Stanislaus Hosius, Kardinal, 1504 (Krakau) bis 1579 (Capranica bei Rom)

Sohn eines aus Pforzheim zugewanderten Bürgers, studiert in Krakau, Bologna und Padua, am polnischen Hof in Krakau tätig, Domherr in Frauenburg und Krakau, erhielt die Priesterweihe erst 1543, kurze Zeit Bischof von Kulm und seit 1551 von Ermland, weilte jedoch häufig außerhalb seiner Diözese, 561 Kardinal und päpstlicher Legat beim Konzil von Trient, dessen Reformbeschlüsse er in seinem Bistum durchführte. Hosius rief 1565 die Jesuiten nach Braunsberg, die ein Gymnasium gründeten, dazu ein Priesterseminar und später ein päpstliches Missionsseminar für die nördlichen und östlichen Länder. Damit wurde Braunsberg zum geistigen Zentrum des Ermlands und darüber hinaus.

 

Während der siebenjährigen Abwesenheit des Bischofs Hosius in Rom, Wien und Trient hatte die religiöse Opposition in seiner Hauptstadt merkliche Fortschritte gemacht. Der damaligen Sitte entsprechend kommunizierte am ersten Osterfeieitag der gesamte Magistrat. Nun fehlten Ostern 1561 der Bürgermeister Marquard und der Ratsherr Johann Bartsch am Tische des Herrn, weil sie nur unter beiden Gestalten kommunizieren wollten und die katholische Form des Abendmahles verwarfen. Da aufklärende Predigten und gütliche Vorstellungen an der entschlossenen Haltung der Lutheraner scheiterten, sah sich das Domkapitel zur Ausweisung einiger Bürger veranlaßt, erreichte dadurch aber keine Beruhigung, sondern eine wachsende Erregung der Gemüter. Ostern 1563 entzogen sich fünf Ratsmitglieder durch Reisen der gemeinsamen Kommunion, während vier andere, die sich vorher der protestantischen Auffassung angeschlossen hatten, in die katholische Gemeinschaft zurücktraten.

Nach seiner Rückkehr ins Ermland hielt Kardinal Hosius es für eine seiner dringlichsten Hirtenpflichten, in seiner Haupt­stadt die kirchliche Einheit wiederherzustellen. Für den 24. März 1564 lud er die Magistrate der Alt- und Neustadt ins Braunsberger Schloß und legte ihnen eingehend dar, wie vor der Autorität der Kirche die persönliche Schriftauslegung sich bescheiden müsse. Der Rat der Neustadt erklärte sich sogleich mit diesen Grundsätzen einverstanden und versprach, dem Glauben der Väter treu zu bleiben; die Mitglieder des altstädtischen Rates aber erwirkten die Erlaubnis, sich einzeln mit dem Kardinal über die strittigen Fragen auseinandersetzen zu dürfen. Drei Tage später, am Montag in der Karwoche, erschien der Bürgermeister Marauard mit 4 Ratsherren und bat für sich und seine Genossen um den Gebrauch des Kelches; im übrigen wollten sie an den Lehren und Gebräuchen der katholischen Kirche festhalten und ihrem bischöflichen Landesherrn die Treue wahren. Hosius begründete seine Ablehnung dieser Forderung und stellte ihnen beim Beharren auf ihrem Standpunkt die Exkommunikation in Aussicht. Weitere Einzelbesprechungen, zu denen Hosius auch die Frauen des Bürgermeisters und eines widerstrebenden Ratmannes heranzog, und die Androhung strenger Strafen zeitigten schließlich das Ergebnis, daß innerhalb der Osteroktave alle Magistratsmitglieder nach dem katholischen Ritus kommunizierten. Nur zwei Bürger, die sich davon ausschlossen, wurden mit dem Kirchenbann belegt und des Bistums verwiesen. Wenn gegen den Kardinal auch wegen seines Verfahrens von andersgläubiger Seite, so von Danzig und Herzog Albrecht, Vorwürfe „wegen unerhörter Strenge" erhoben wurden, so hatte er doch nur von einem Rechte Gebrauch gemacht, das in den deutschen Territorialstaaten gang und gäbe geworden war.

Um in Zukunft solchen Störungen der kirchlichen Einheit vorzubeugen und eine Pflanzstätte katholischer Bildung und Erziehung zu schaffen, berief der Kardinal nach Braunsberg den Jesuitenorden. Hier stand seit mehreren Jahren 103 das Franziskanerkloster mit 50 Zellen, Refektorium, Kirche und Garten fast leer, ein Priester und ein 80jähriger Laienbruder bildeten die Hüter der Baulichkeiten, an denen die Stürme der Reformationszeit nicht spurlos vorübergegangen waren. Mit Zustimmung des Domkapitels übereignete der Bischof der Gesellschaft Jesu das Kloster, und am 8. Januar 1565 hielten die elf ersten Patres, von denen drei aus Rom, die übrigen aus dem Rheinlande gekommen waren, in Begleitung zweier Domherren von Heilsberg her ihren Einzug an ihrer neuen Wirkungsstätte. Sie gingen sogleich daran, eine aus fünf Klassen bestehende höhere Lehranstalt ins Leben zu rufen. Ihre Bemühungen um Schüler begegneten anfangs eisiger Ablehnung. Übelwollende hatten das Gerücht ausgestreut, wer seine Söhne den Jesuiten übergebe, müsse gewärtigen, sie nie mehr zurückzuerhalten; denn die Schüler würden sechs Jahre ins Kloster gesperrt und dann nur entlassen, wenn sie nichts gelernt hätten oder zur Aufnahme in den Orden unbrauchbar seien. Erst am 19. Februar fanden sich die ersten sechs bisher ungeschulten Zöglinge. Die unleugbaren Unterrichtserfolge der pädagogisch durchgebildeten Lehrer und das Vertrauen, das sie sich rasch erwarben, führten ihnen schon im Sommer 160 und nach einem weiteren Jahre 260 Schüler zu, die sich nicht nur aus dem Ermland, sondern auch aus Preußen, Polen und Litauen rekrutierten und zum Teil den höchsten Gesellschaftsschichten entstammten. Auch aus der protestantischen Nachbarschaft wurden Knaben angemeldet, so daß sich Herzog Albrecht im September 1565 veranlaßt fühlte, in einem Erlaß an den Hauptmann von Balga seine Untertanen vor der Braunsberger Lehranstalt ernstlich zu warnen. So hatte die überraschende Schülerzahl die Daseinsberechtigung der neuen Schule erwiesen, die auf christlich-katholischer Glaubensgrundlage der Pflege der klassischen Wissenschaften dienen wollte. Ein dem Kolleg angegliedertes Konvikt beherbergte einen Teil der auswärtigen Schüler, von denen die polnischen und litauischen nach der ermländischen Hauptstadt geschickt wurden, um gleichzeitig die deutsche Sprache zu erlernen. Nationale Spannungen, auch mit der Bürgerschaft, waren dabei von Anfang an unausbleiblich. Für arme Zöglinge erwuchs um 1585 aus milden Stiftungen eine Bursa pauperum, die 1602 in einem eigenen, unmittelbar am sogenannten Steinhaus gelegenen Gebäude untergebracht wurde. Ein dem Jesuitenkolleg angeschlossenes Noviziat war von vornherein für die Heranziehung des Ordensnachwuchses bestimmt.

Nachdem im August 1565 die Heilsberger Diözesansynode der Durchführung der Tridentiner Konzilsbeschlüsse ihre Zustimmung erteilt hatte, schritt Kardinal Hosius zur Begründung eines Priesterseminars, dessen Leitung er ebenfalls den Jesuiten übertrug. Gegenüber der Pfarrkirche an der Stelle der heutigen Berufsschule wurde ein Haus für das Seminar gemietet, und am 25. November 1567 wurde die bedeutsame Bildungsstätte für den zukünftigen ermländischen Klerus mit 10 Alumnen feierlich eröffnet.

Mit diesen Lehranstalten hatte Kardinal Hosius die Metropole seines Bistums zu dessen wichtigster Schulstadt zugleich und zum Brennpunkt der katholischen Glaubenserneuerung gemacht. Die glückliche Entwicklung dieser Bildungsstätten veranlaßte Papst Gregor Xlll. zu einer neuen Stiftung.

Der schwedische König Johann III. (1569—92) ließ nämlich nach seiner Verheiratung mit Katharina, der Schwester Sigismund II. August von Polen, seinen Sohn Sigismund in der katholischen Religion erziehen, um ihm die polnische Krone zu sichern. Der religiöse Einfluß der Königin auf ihren Gatten nährte nun gewisse Hoffnungen auf die Wiedergewinnung der schwedischen Länder für die römische Kirche. Der gelehrte Generalsekretär des Jesuitenordens Antonio Possevino kam auf Grund persönlicher Eindrücke und Beobachtungen in Schweden zu der Üerzeugung, daß in einem ausländischen Missionsseminar Priester für die nordischen Länder herangebildet werden müßten. Braunsberg, wo er Ende Mai 1578 anlangte, schien ihm nicht nur wegen der hier blühenden Jesuitenanstalten, sondern auch wegen seiner günstigen Verkehrslage für die Errichtung dieser neuen Bildungsstätte besonders geeignet. Seinen Vorschlägen folgte Gregor XIII., indem er am 10. Dezember 1578 zu Braunsberg und Olmütz zwei Seminare begründete, in denen je 50 Missionszöglinge aus päpstlichen Mitteln unterhalten wurden. Schon nach zwei Jahren war diese Zahl in Braunsberg erreicht. Die wirksamsten Missionare mußten naturgemäß Söhne des eigenen Landes sein, und so waren denn zunächst die meisten der Alumnen des Braunsberger päpstlichen Seminars Ausländer.

Königin Katharina bewies der Anstalt ihre innere Verbundenheit dadurch, daß sie ihr testamentarisch 10000 Taler jährlicher Renten aus ihren polnischen Gütern zur Erziehung von 5 jungen Schweden hinterließ; aber ihr Tod (1582) und die Entthronung ihres Sohnes Sigismund (1600), der sich fortan mit der polnischen Krone begnügen mußte, verminderten mehr und mehr die Aussichten auf eine Rekatholisierung der schwedischen Länder. Als schließlich König Karl, der Vater 105 Gustav Adolfs, i. J. 1613 den Besuch „aller papistischen oder jesuitischen Kollegien" bei Todesstrafe verbot und gleichzeitig Dänemark das Studium an Jesuitenschulen mit Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter ahndete, war dem Zuzug schwedischer und dänischer Alumnen in Braunsberg ein Ende gesetzt. Immerhin finden wir bis 1624 unter den 521 päpstlichen Seminaristen 127 Schweden und Finnen und 34 Dänen. Wie weit der Aktionsradius der internationalen Missionsanstalt damals leichte, ist aus folgenden weiteren Angaben ersichtlich: Wählend der ersten 45 Jahre stellte das ehemalige Deutschordensland 71, das übrige Deutschland 81 Zöglinge, Schottland 34, Norwegen 20, Livland 44, Kurland 7, Litauen 5, Polen 7, Rußland 5, Ungarn 17, Siebenbürgen 13, Italien 4, die Tataren im Chersones 4. Auch einzelne Iren, Engländer, Niederländer, Esten, Böhmen, Mähren, Kärtner und Griechen studierten damals am Passargestrand. Der Basilianerorden der griechisch-unierten Kirche war mit 19 Novizen vertreten und blieb der päpstlichen Stiftung bis zu ihrem Ende (1798) treu.

Nachdem der Anstalt zunächst die beiden dem Klosterhof benachbarten Häuser der Nordseite der Kollegienstraße Unter­kunft geboten hatten, erstanden die Jesuiten i. J. 1614 für 5000 M. das schon seit dem 15. Jahrhundert so genannte „Steinhaus". Freilich bedurfte es dazu des Eingreifens des Bischofs Rudnicki; denn der Rat sah mit Unwillen, wie das Kloster in wenigen Jahrzehnten seinen Hausbesitz beträchtlich vermehrte. Da aber in der von Wehrmauern eingeengten Stadt die Wohnhäuser und Bauplätze sehr beschränkt waren, setzten sie dem Ankauf des Steinhauses durch den Orden starken Widerstand entgegen, um nicht neuen Wohnraum für die Bürger und ihr Gewerbe und bisherige kommunale Zinseinkünfte und sonstige Leistungen zu verlieren. Nachdem sie dem Druck des Bischofs nachgegeben hatten, bauten die Jesuiten das zuletzt der Familie Preuck gehörige Steinhaus für die Zwecke des päpstlichen Seminars um. Die heutige Gestalt des monumentalen Barockbaues, der italienische Kunstformen mit nordischer Würde und Sachlichkeit reizvoll verbindet, entstammt einem durchgreifenden Umbau unter dem Pontifikat des Papstes Innozenz XII. in den Jahren 1692—1694. Heute erinnern noch Papstbildwerke über dem Portal, eine Gedenktafel vor der Wandelbahn und päpstliche Schlüssel an dem Giebel wie das Jesuszeichen und die Petersschlüssel als Zeiger einer Sonnenuhr an der Rückfront an die Stifter und die ehemalige Bestimmung dieses imposanten Baudenkmals.

Wenn auch die gutbesuchten Lehranstalten der Bürgerschaft mancherlei Verdienstmöglichkeiten brachten, so fühlte doch andererseits das Verhalten der gärenden, oft landfremden jungen Leute wiederholt zu schweren Zusammenstößen. So duellierte sich i. J. 1577 ein Scholar mit einem Bernsteindreher; und da der Schuldige der Gerichtsbarkeit der Schule unterstand, bat der Rat die Jesuiten um seine Bestrafung. Wiederholt kam es zwischen trunkenen Studenten zu nächtlichen Schlägereien, wobei jene sogar von ihren Säbeln und Gewehren Gebrauch machten. Wenn sie deshalb in die Wachtbude gesperrt und in Ketten gespannt wurden, war das eine Selbsthilfe des Rates, die freilich nicht den Sonderrechten der Schule entsprach. Bischof Tylicki gab, um solchen Exzessen vorzubeugen, i. J. 1602 den Befehl, daß die Studenten ihre Waffen, die sie bei der Unsicherheit der Wege auf ihrer Anreise wohl brauchen konnten, den Wirten abgeben müßten und nicht früher in das Kolleg aufgenommen werden dürften, bis sie eine schriftliche Bescheinigung über die Waffenabgabe von ihren Wirten beigebracht hätten. Trotzdem wurde i. J. 1607 der Bürgersohn Georg Follert bei einer nächtlichen Schlägerei von einem Studenten durch einen Säbelhieb in den Kopf getötet. Der Bevölkerung bemächtigte sich begreiflicherweise eine große Erregung und Erbitterung. Der Täter wurde festgenommen und dem bischöflichen Gericht überliefert. 1609 wurde ein schwedischer Student wegen wiederholten Diebstahls vom Stadtgericht zum Strange verurteilt, aber auf Fürbitte der anderen Studenten mit dem Schwerte gerichtet. 1622 wurde für die Studenten, die nachts auf der Gasse betroffen wurden, in der Stadtpfeiferei eine besondere Kammer zur Schutzhaft eingerichtet.

Wie der Schulbetrieb der Jesuiten den Anzug eines bischöflich privilegierten Buchhändlers und Buchbinders erforderlich machte, - als solcher ist Johann Bretter i. J. 1571 im Taufbuch zum erstenmal erwähnt, - so ließ die weitgreifende Propagandatätigkeit des päpstlichen Seminars die Begründung einer Druckerei besonders erwünscht erscheinen. Johann Sachse, vielleicht derselbe, der bis 1589 in Lübeck tätig war, brachte in demselben Jahre in seiner neueröffneten Braunsberger Druckerei seine ersten Veröffentlichungen heraus, den lateinischen Katechismus des Jesuiten Canisius und mehrere lateinische Traktate von Possevino. Im nächsten Jahre erschienen bei dem geschäftstüchtigen Verleger neben einem lateinischen Briefsteller vier deutsche Streitschriften gegen das Luthertum und merkwürdigerweise auch Luthers Kleiner Katechismus und eine Verteidigung des Abendmahles unter beiden Gestalten. Die 107 leistungsfähige Offizin, die ihre Publikationen mit Rot- und Schwarzdruck, Noten und Randleisten ausstatten konnte, war schon i. J. 1593, als sie ein ermländisches Brevier herausgab, im Besitz der Erben des Gründers. Erst 1598 setzte Georg Schönfels die Drucktätigkeit fort; durch bischöfliches Privileg wurde ihm i. J. 1608 auch der Aufkauf von Lumpen im Ermland gestattet, um Druck- und Schreibpapiere herzustellen. Aus der Druckerei, die nach wiederholtem Besitzwechsel i. J. 1697 von den Jesuiten käuflich erworben wurde, lassen sich bis zu ihrer Auflösung i. J.1773 rund 500 Werke meist religiösen und theologischen Inhalts, aber auch Schulbücher, historische und Gelegenheitsschriften nachweisen, von denen etwa 60 % in der lateinischen Gelehrtensprache, etwa 35 % deutsch und 5 % polnisch verfaßt waren. Die literarische Ausstrahlung dieser mit dem Jesuitenkolleg in engster Verbindung stehenden Buchdruckerei wird nicht unterschätzt werden dürfen; sie reichte räumlich weit über das Ermland nach Preußen, Polen, Litauen und den baltischen Ländern hinaus.

Am stärksten wirkte sich naturgemäß der Einfluß des Jesuitenordens an dem Orte seiner Tätigkeit selbst aus. Die Patres waren nicht nur Lehrer der studierenden Jugend, Dozenten der Alumnen des ermländischen und des päpstlichen Seminars und religiöse Schriftsteller, sondern auch eifrige Seelsorger, die als gelegentliche Prediger, Exerzitienmeister und Beichtväter in den Pfarrgemeinden der Bistumsstädte großen Zuspruch fanden. Eine offensichtliche Festigung und Vertiefung des katholischen Lebens in der Bevölkerung war der Erfolg ihrer Arbeit, und es fehlte auch nicht an zahlreichen Konversionen bisheriger offener oder geheimer Protestanten.

Von nachhaltiger Bedeutung wurde das Auftreten der Jesuiten auch für die Braunsberger Nonnen. In der „alden Tymenitcze-Gasse" (nach dem Gefängnisturm, dem heutigen Klosterturm, benannt) wird bereits i. J. 1438 ein Beginenkanvent erwähnt, in dem gottgeweihte Jungfrauen dem Gebet, der Krankenpflege und Handarbeit lebten. Aus dem Legat des Leipziger Professors Werner v. J.1498 ersehen wir, daß zu jener Zeit zwei Beginenhäuser in der Nonnengasse vorhanden waren. Die bischöfliche Visitation d. J. 1565 stellte fest, daß beide Gebäude alt und verfallen seien, das eine ohne Dach und verlassen, das andere ihm gegenüber von 2 Schwestern bewohnt.

Während diese alten Nonnenniederlassungen ihrer Auflösung entgegengingen, sprossen unter dem Einfluß der Seelsorgsarbeit der Jesuiten, vermutlich auch unter dem Eindruckeiner Pest die Keime einer neuen, lebensfähigen Schwesternkongregation empor. Regina Protmann, die 19jährige Tochter eines wohlhabenden und angesehenen Braunsberger Kaufmanns, verließ in dem Seuchenjahre 1571 ihr Elternhaus und zog sich mit zwei gleichgesinnten Freundinnen in ein baufälliges Häuschen der 2. Kirchenstraße (heute Siechenhaus) zurück, auf das sie Erbansprüche hatte. Sie wollte ihr Leben ganz Gott widmen und ihren Mitmenschen im Geiste der christlichen Nächstenliebe dienen. Bischof Martin Kromer erwies sich als ihr tatkräftiger Förderer, indem er „den gottverlobten Jungfrauen unter dem Titel und Namen der hl. Jungfrau und Martyrin Katharina" (der Braunsberger Kirchenpatronin) das Grundstück des alten Beginenkonventes mit einem neuerbauten Hause überwies, sodaß nun das Klosteranwesen von der 2. Kirchenstraße bis in die Nonnengasse reichte. Auch sonst erleichterte er durch hochherzige Schenkungen die Wirtschaftsführung der Schwestern. Auf seine Veranlassung schrieb Regina unter dem Beirat ihres Beichtvaters des P. Engelbert und des Jesuitenprovinzials P. Paul Boxa ihre in 12 Jahren erprobte Klosterregel auf, und diese fand am 18. März 1583 auf dem Schloß zu Heilsberg die bischöfliche Genehmigung. Kromer gliederte dann die alten Beginenkonvente von Wormditt, Heilsberg und Rößel der Braunsberger Kongregation an, und so war eine Nonnenorganisation im Ermland geschaffen, die in stiller, selbstloser Hingabe zunächst der Krankenpflege und Handarbeit, seit der Jahrhundertwende auch dem weiblichen Unterricht oblag und von dem Mutterhause Braunsberg aus im 19. Jahrhundert eine ungeahnte Ausbreitung und Blüte erreichen sollte.

In diese Periode katholischen Werdens und gestärkten Selbstbewußtseins fiel i. J. 1577 drohende Kriegsgefahr. Als Stephan Bathory von Siebenbürgen und Kaiser Maximilian II. um die polnische Krone stritten, hielten die Stände Preußens mit Einschluß des Ermlandes zu dem deutschen Thronbewerber, änderten aber im Sommer 1576 ihre Haltung, als sich die Waage des Schicksals unverkennbar auf Bathorys Seite neigte. Nur das mächtige Danzig verharrte in seiner Parteinahme für den Kaiser, wobei neben nationalen und religiösen Gründen besonders wirtschaftspolitische den Ausschlag gaben. König Stephan verhängte über die widerspenstige Stadt nach vergeblichen Verhandlungen und Warnungen die Acht und eröffnete im Herbst gegen sie die Feindseligkeiten, worauf die Danziger mit Überfällen auf die dortigen Klöster antworteten. Nach dem Tode Maximilians (12. 10. 1576) zeigten die Danziger 109 Friedensbereitschaft, weigerten sich aber, die harten Bedingungen Bathorys anzunehmen. Dieser führte am 7. März 1577 einen schweren Schlag gegen die Stadt, indem er allen Handelsverkehr mit ihr verbot und den Stapel für alle polnischen Waren von Danzig nach Thorn und Elbing verlegte. Auch das Ermland war an dieses königliche Gebot gebunden, während sich das herzogliche Preußen darüber hinwegsetzte. Elbing zog aus der bedrängten Lage seiner Schwesterstadt reichen Nutzen und erregte dadurch die Wut der Danziger Bevölkerung. Als König Stephan Anfang September die erfolgte Belagerung der Seestadt abbrach, fühlte diese auf Drängen der Massen sogleich einen Rachefeldzug gegen das Ermland und Elbing durch.

Am 10. September lief eine mit 2500 Mann besetzte Flotte unter dem Befehl des erst kürzlich in Danzigs Dienste getretenen Grafen Ferdinand von Haldeck von Weichselmünde aus. Sie bestand aus 15 Schiffen, von denen 5 Dreimaster, 4 Galeeren, einige lange und einige kleine Kähne waren. Ein Teil der Fahrzeuge gehörte dem verbündeten König von Dänemark und stand unter dem Kommando des Admirals Erhard Munk. Ungehindert fuhr das Geschwader aus der Ostsee ins Frische Haff, angeblich nur des schlechten Wetters wegen; nach dem Einkauf von Lebensmitteln würde es wieder auslaufen, und den herzoglichen Untertanen würde nicht „ein Huhn gescheucht werden". Im Haff kaperte die Flotte eine größere Zahl von Elbing kommender belgischer und englischer Handelsschiffe und wuchs auf 40 Fahrzeuge an.

Am Mittag des 13. September warf sie an der Mündung der Passarge Anker. Schon vorher waren Neupassarger Schiffer nach Braunsberg mit der Schreckensbotschaft geeilt, der Feind nehme mit starken Kräften Kurs auf die ermländische Küste. Sofort trat der Rat zusammen, um zu überlegen, welche Maßregeln zu ergreifen seien. Da erschien um ein Uhr in ihrem Kreise, von zwei Soldaten begleitet, ein Hauptmann, verlangte Mundvorrat und entbot den Schloßhauptmann und zwei Bürgermeister zum Danziger Admiral, im Weigerungsfälle drohte er ihnen Plünderung an. Da der Schloßhauptmann Michael von Preuck es ablehnte, der Aufforderung zu folgen, entsandte der Magistrat die Bürgermeister Johann Bartsch und Lukas Wegner sowie den Ratsherrn Peter Schulz. Wie grenzenlos ihr Entsetzen, als sie von dem allgewaltigen Admiral den erbarmungslosen Spruch vernahmen: Wenn sie ihm nicht am Abend 20 000 Taler zahlten und die Jesuiten, „die Feinde Evangeliums", vertrieben, so würde er alles vernichten, Menschen ermorden, die Dörfer, Speicher und Vorstädte einäschern und die Stadt selbst zerstören! Wegner und Schulz mußten als Geiseln zurückbleiben, während Bartsch nach Braunsberg zurückgeschickt wurde, um die grausamen Befehle zur Durchführung zu bringen. Ein mitgesandter Trompeter sollte durch Kriegssignale die Bevölkerung in Angst versetzen.

Alles zitterte und bebte in der Stadt, als man von den erpresserischen Forderungen und Drohungen des Admirals hörte. Die auswärtigen Schüler und Studenten der Jesuiten flüchteten schleunigst in ihre Heimat. Die Bewohner der Neustadt und der benachbarten Dörfer brachten jammernd ihre wertvollen Sachen in die Altstadt und beschworen den Rat, die verlangte Summe zu zahlen; sie würden selbst dazu beisteuern. Auch die altstädtischen Bürger drängten zur Nachgiebigkeit. Da die Stadt aus sträflicher Sorglosigkeit keine Besatzung hatte, schien Widerstand gegen den übermächtigen Feind aussichtslos. Wenn aber der rote Hahn in den Vorstädten und der Neustadt auf die Strohdächer gesetzt würde, würde das Flammenmeer leicht um sich greifen und auch die Altstadt erfassen. In solcher Not bat der Magistrat den bischöflichen Koadjutor Kromer um Rat und schleunige Hilfe. Bevor dessen Antwort aber eingegangen war, hatte er den Admiral dadurch zu besänftigen vermocht, daß er gemeinsam mit dem Schloßhauptmann der Flottenbesatzung einige Tonnen Bier, Ochsen, Mehl und Brot im Werte von mehr als 110 M. zugesandt hatte. Weiter hatte man dem Admiral 2000 Taler geboten und ihn um Schonung ersucht; man sei wohl zu schwach, ihm zu widerstehen, aber Gott würde ihn einst strafen, wenn er Gewalt an Menschen verübte. Hardeck wies das Geldangebot als zu niedrig ab, ermäßigte aber seine vorige Forderung auf 10 000 Taler, die bis Sonnenuntergang zu zahlen seien.

Wieder wurde der Rat zu sorgenvoller Verhandlung zusammengerufen. Einige Mitglieder wiesen auf die Treue zum Koadjutor und König hin, die es verbiete, mit dem Feinde Frieden zu schließen. Die Mehrheit aber riet zur Nachgiebigkeit, durch die man nicht die gebotene Treue verletzen, sondern nur das große Unglück von der Stadt abwenden wolle. Dieser Auffassung zufolge eröffnete der Magistrat den Jesuiten den Befehl des Admirals; sie beschlossen, um keinen zu gefährden, sich unverzüglich zu entfernen, zumal ihre meisten Schüler abgereist waren. Sie verweilten in den benachbarten Städten, bis sich die feindliche Flotte zurückgezogen hatte.

Der Aufbruch der Jesuiten verursachte eine wahre Panik; man schloß daraus auf erhöhte Gefahr. Scharenweise erschienen 111 die Leute vor dem Schloßhauptmann und dem Rat und flehten, sie und ihre Kinder um einer Geldsumme nicht dem Vererben preiszugeben. Das lag natürlich der Obrigkeit fern, aber sie vermochte doch nach langem Unterhandeln mit dem Admiral die Geldforderung auf 5000 Taler herabzudrücken; diese versprach man zum 17. September nach Elbing zu schicken, wohin die Flotte zu segeln gedachte. Die Altstadt steuerte dazu mit ihren Dörfern 3000, die Neustadt samt den bischöflichen Gütern und dem Adel 2000 Taler bei. Nach deren Einzahlung stellten Hardeck und Munk einen Schein aus, daß Braunsberg und sein Weichbild von weiteren Leistungen verschont bleiben sollten.

Inzwischen war vom Koadjutor ein Antwortschreiben ein­gelaufen; der Rat solle der Gewalt nachgeben, jedoch unbeschadet der dem König gelobten Treue. Kromer hatte aber auch seinem Landvogt Christoph Troschke Befehl gegeben, der Stadt Braunsberg sofort zu Hilfe zu ziehen. Mit den Kriegspflichtigen der Kammerämter Heilsberg, Guttstadt und Wormditt rückte dieser nach drei Tagen in Braunsberg ein und wurde von da sogleich nach Frauenburg beordert. Hier hatte die feindliche Flotte vom Frauenburger Domkapitel ebenfalls ein hohes Lösegeld erpreßt und war dann am 16. September unter günstigem Wind nach Elbing gesegelt, um der wohlverteidigten Stadt und ihrer Umgegend durch Plünderung und Brandschatzung, sowie durch das Versenken von vier großen Schiffen im Elbinger Tief möglichst viel Schaden zuzufügen. Der Landvogt Troschke ließ sich mit seinem Heeresaufgebot von der in Frauenburg herrschenden Panik so stark beeinflussen, daß sie schmählich die Flucht ergriffen und den Dom ungeschützt ließen. Die Danziger Flotte beschränkte sich im übrigen auf den Raub der auf dem Haff kreuzenden Handelsschiffe, wandte sich dann nach Königsberg und kehrte am 28. September mit etwa 60 gekaperten Schiffen siegesstolz nach Danzig heim.

König Stephan aber zürnte der Stadt Braunsberg, daß sie trotz ihrer Entfernung von der Küste den Feinden sich so nachgiebig gezeigt habe. Er trug sich daher mit der Absicht, ihr zur Strafe eine polnische Besatzung zu geben, und es bedurfte der persönlichen Fürsprache des Koadjutors Kromer, um den König in Marienburg (am 10. Oktober) zu besänftigen; doch sollten die Braunsberger während des Kriegszustandes nicht die geringste Zufuhr nach Danzig abgehen lassen.

Nach langen, schwierigen Verhandlungen kam am 12. Dezember der Friedensvertrag zwischen König Stephan und der Stadt Danzig zustande. Der Wunsch Kromers, die Rückzahlung des im Ermland erpreßten Geldes unter die Friedensbedingungen aufzunehmen, wurde nicht berücksichtigt, weil die Danziger gerade auf der Niederschlagung der von ihnen verübten Schädigungen nachdrücklich bestanden.

Stephan Bathory, der seinem Neffen Andreas Bathory i. J. 1584 die Würde eines Kardinals und Koadjutors von Ermland zu verschaffen wußte, starb am 12. Dezember 1586. Da die bevorstehende Königswahl neue Thronwillen wahrscheinlich machte, befahl Bischof Kromer, durch die Ereignisse d. J. 1577 gewitzigt, für den 4. Februar 1587 eine allgemeine ermländische Heerschau in Stadt und Land, in der die gemeine Bürgerschaft mit ihren Hauswehren und Rüstungen, die Adligen, Freien und Schulzen mit ihren Pferden, Harnischen, Büchsen und was sonst zur ernsten Wehr gehörig, und die Bauern, so den zehnten Mann mit einem langen Rohr zu Fuß ausrichten, gemustert werden sollten; denn „des Weisen Mannes spruch nach daß Lanndt inn guttem wohlstande sey, welches zur Zeit des friedens die Vorsorge wieder die Kriegsleuffte gebrauchet und Vorradt schaffet." Doch diesmal sollte sich das Kriegsgewölk glücklich verziehen.

Ein Schadenfeuer zerstörte am 8. September 1598 einen großen Teil der Neustadt; auch das Rathaus sank dabei in Asche und mit ihm die hier aufbewahrten Urkunden und Akten. Dagegen blieb die Dreifaltigkeitskapelle von dem Feuer verschont. Sie war ursprünglich i. J. 1437 erbaut und mit 12 Morgen Land ausgestattet worden, im 13jährigen Kriege aber (1455) niedergebrannt. Um 1581 erst wurde die kleine Kapelle wieder aufgebaut und im Jahre 1584 von Bischof Kromer eingeweiht. Ihre jetzige erweiterte Form mit dem Ostgiebel stammt aus d. J. 1681.

An dieser Stelle sei für die Familienforscher die Mitteilung eingeschaltet, daß in Auswirkung der Tridentiner Konzilsbeschlüsse in der Braunsberger Pfarrgemeinde i. J. 1565 die Trauungsbücher, i. J. 1566 die Taufregister beginnen. Die Sterbefälle wurden erst seit 1708 verzeichnet.

Im Jahre 1601 wurde dem Bischof ein Verzeichnis der wehrpflichtigen Bürgerschaft der Altstadt eingereicht. Sie zählte 265 Mann und war in 5 Ordnungen eingeteilt, die wieder in Kohorten von 10 - 12 Mann zerfielen. Jede Ordnung hatte drei Führer, einen Ratsherrn und zwei Bürger. Die vier ersten Ordnungen waren zur Verteidigung der Mauern und Türme bestimmt, die fünfte wurde auf dem Markte aufgestellt, um beim Angriffe eingesetzt zu werden. Diese Bürgerwehr konnte aber im Notfälle durch Tagelöhner, Gesellen und 113 Jungmannen ergänzt werden. Außerdem warb man bei drohenden Gefahren Söldner an, so i. J.1613 60 Musketiere, von denen die Befehlshaber monatlich 30, die Veteranen 10 und die übrigen Mannschaften 5 Gulden Sold empfingen. Spieße, Hellebarden, Luntenrohre, Pulverflaschen, Geschütze und eiserne Kugeln wurden in Königsberg, Lübeck, Braunschweig und Schweden angekauft.

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts wurzelte sich in Polen immer mehr das Unwesen der Konföderationen ein, bewaffneter Verbindungen unzufriedener Adliger gegen die königliche Regierung. Sie bestritten den Unterhalt für sich und ihre Soldateska durch willkürliche Erpressungen. Mit „freiwilligen" Zahlungen suchten sich die bedrohten Gebiete von den Durchzügen oder Winterquartieren solcher Kriegsvölker loszukaufen. So mußte Braunsberg seit 1606 immer wieder unter diesen Lasten der zunehmenden Anarchie und Friedlosigkeit bluten. Trotzdem bewies die reiche Stadt, die noch im August 1614 über 1000 Tonnen Bier in den altstädtischen Kellern liegen hatte, ihre großzügige Gastlichkeit, als im Juni 1623 König Sigismund III. mit seiner Gattin, dem Prinzen Wladislaus und einer jungen Prinzessin auf einer Durchreise hier Nachtquartier bezog. Dem Königspaar und dem Prinzen verehrte der Rat vergoldete Silbergefäße, gefüllt mit ungarischen Gulden, der Prinzessin ein kostbares Kleinod, Gaben, deren Wert sich neben der Verpflegung auf 3050 M. belief. Der bischöfliche Statthalter Michael Dzialynski aber erhielt für seine der Stadt geleisteten Dienste ein Geschenk von sechs ineinander gesetzten vergoldeten Hofbechern im Werte von 278 M. und zwei schöne junge Hengste.

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Dies ist ein Kapitel der Festschrift "Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte" von Franz Buchholz zum 650jährigen Stadtjubiläum

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