KREISGEMEINSCHAFT BRAUNSBERG (OSTPREUSSEN)

Franz Buchholz: Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte (Festschrift vom Stadtjubiläum 1934)


IV. Bis zum Krakauer Frieden (1525)

Als Ende Oktober die Kunde durch die Stadt Braunsberg eilte, das Unglaubliche sei Ereignis geworden, wahrhaftig, der dreizehnjährige Krieg sei nunmehr begraben, da ging das Gefühl der Erlösung durch die Bürgerschaft, und in frommer Dankbarkeit läutete man zum Lobe Gottes den ganzen Nachmittag alle Glocken und läutete sie des nächsten Morgens, als man wie gewöhnlich am Donnerstag mit dem hl. Sakrament „umging". „Levt und loved!" diese fromme Mahnung der altstädtischen Rathaus-Schlagglocke an die Einwohner, das Leben als ein Geschenk Gottes zu werten und zu seinem Lobe zu gestalten, hatte gerade jetzt ihre innerste Berechtigung. Vorbei aller Druck brutaler Söldner, jede Gefahr von einem rachsüchtigen Feind, vorüber die unaufhörlichen Erpressungen und Plünderungen, die erbarmungslosen Verheerungen und Brandschatzungen, zu Ende die aufregenden, wechselvollen, verrohenden Kämpfe, die unsäglichen Opfer an Ehre, Leib und Leben, die dieser schreckliche 13jährige Bürgerkrieg gekostet hatte. Fürwahr, alle Kräfte galt es zu regen, um die verarmte Stadt, die ausgepochte Feldmark zu neuem wirtschaftlichen Erblühen und Wohlstand emporzuarbeiten.

Und doch sollte der Frieden nicht von langer Dauer sein. Bischof Paul war von Thorn krank und siech heimgekehrt, ob infolge einer Ansteckung oder, wie ein weitverbreitetes Gerücht 63 wissen wollte, durch Vergiftung, ist ungewiß. Seine letzten Tage scheint er auf dem Braunsberger Schloß verlebt zu haben. Als er am 23. Juli 1467 starb, begrub man ihn vor dem Hochaltar der Pfarrkirche, da damals der Frauenburger Dom noch nicht von Schalski geräumt war. Bischof Lukas ließ seinem Vorgänger im J. 1494 eine kunstvolle Grabplatte errichten, die heute an der südlichen Längswand in leider ungünstiger Beleuchtung steht. Der vielleicht aus der berühmten Hütte Peter Vischers in Nürnberg stammende Bronzeguß zeigt in Flachrelief das Bildnis des Verstorbenen in vollem Ornat, mit Mitra, Hirtenstab und Evangelienbuch; das Haupt ruht auf einem Kissen, das Geschlechtswappen zu Füßen. Eine lateinische Inschrift in gotischem Rankenwerk bildet die Umrahmung, in deren vier Ecken das Wappen des Bischofs Lukas eingefügt ist. Das Ganze ist in eine Steinplatte eingelassen.

Nach dem Tode des Bischofs Paul wählte das Domkapitel am 18. August seinen Domdechanten Nikolaus von Tüngen, einen Wormditter Bürgersohn, zum Nachfolger. König Kasimir wollte dagegen dem Kulmer Bischof Vinzenz Kielbassa die ermländische Kathedra zuwenden. Anfang Dezember ergriff dieser vom Bistum Besitz, und auch die Braunsberger huldigten ihm. Da sich Papst Paul II. aber im November 1468 für Tüngen entschied, zog sich Kielbassa im Herbst des nächsten Jahres aus dem Ermland zurück, während der König es militärisch besetzen ließ. Zu Weihnachten 1483 mußten Rat, Gemeinde und Gewerke der Stadt Braunsberg dem königlichen Gesandten Nikolaus Tomicki versichern, daß sie dem Könige den früher geleisteten Treuschwur unverbrüchlich halten und keinen Bischof ohne Wissen und Willen des Königs, seiner Prälaten und Räte aufnehmen würden.

Trotzdem brachte der größte Teil der Bevölkerung dem Ermländer Tüngen, zumal hinter ihm die Autorität des Papstes stand, offene Sympathien entgegen. An der Spitze dieser Partei, der insbesondere die Handwerker angehörten, stand wohl der Ratsherr Peter Konike. Nachdem man schon seit Ostern 1470 in brieflicher Verbindung mit Bischof Nikolaus gestanden hatte, schritt man im Herbst zur Tat. In der Nacht vom 16. zum 17. September besetzten die Verschwörer die Tore und Mauern der Stadt. Am nächsten Tage verlangten sie vom Bürgermeister Frenzel Scherff die Einberufung der ganzen Gemeinde und der Gewerke. Während noch der Rat darüber verhandelte, vertrieben sie die Stadtwache von den Toren des Rathauses und stellten ihre eigenen Leute als Wächter dorthin. Dann beriefen sie eine Gemeindeversammlung und entsetzten den Rat seines Amtes. Noch zu Beginn des folgenden Jahres 1471 verweigerte der neue Rat den königlichen Gesandten den Eintritt in die Stadt. Dagegen scheint sich im Schloß der vom König bestellte Hauptmann Thomas von Baysen gehalten zu haben.

Gegenüber dem ansehnlichen polnischen Waffenaufgebot mußte Bischof Nikolaus weichen. Seine Anhänger aber wurden in die Acht erklärt, eingekerkert oder verbannt. Braunsberg, dessen Bürgermeister Mate (Mathias) Vochs im August 1468 sogar vom König zum Mitglied des Obersten Gerichtshofes in Preußen ernannt worden war, verlor zur Strafe seinen Sitz unter den großen Städten. Deshalb führten auf der Marienburger Tagfahrt Anfang März 1471 der Braunsberger Bürgermeister und sein Kompan Klage, da sie „von alter Gewohnheit" allzeit mit den großen Städten zu Rate gegangen, jetzt aber ausgelassen seien, was sie sehr befremdete. Es wurde ihnen entgegnet, daß man ihnen persönlich nicht schuld gebe, daß aber die Bürger mit ihren Aufläufen die Schuld treffe. Einstweilen möchten die Braunsberger davon absehen, der Hansa die Entscheidung anzutragen. Auch in Graudenz beschwerte sich Bürgermeister Vochs vor den Ständen im Februar 1472 über die Zurücksetzung seiner Stadt, aber diese erwiderten im März zu Thorn, „daß man sie halten sollte, als sie es verdient hätte", doch überließ man dem König die Entscheidung.

Inzwischen hatte die päpstliche Kurie angesichts der politischen Schwierigkeiten im Dezember 1471 Bischof Nikolaus nach Kamin versetzt und das Ermland dem Gnesener Andreas Oporowski verliehen. König Kasimir lehnte aber auch diesen Prälaten ab und verbot den Ermländern seine Aufnahme ins Bistum. Bevor Tüngen amtliche Nachricht von den römischen Entscheidungen erhielt, mußte er handeln, wenn er nicht auf sein heimatliches Bistum verzichten wollte. Hier aber hatte sich die Zahl seiner stillen Anhänger vermehrt und ihn zu energischem Vorgehen ermuntert. Von Livland kehrte er ins Ermland zurück. Als Kaufleute verkleidet zogen er und sein Domdechant Kirsten (Christian) Taviau mit je 7 Pferden durch das Ordensland gen Braunsberg. Hier waren nur vier Vertraute in seinen Plan eingeweiht. Trotzdem gelang es dem Bischof, in der Nacht zu Pfingsten 1472 die Stadt einzunehmen. Das Gros der Bevölkerung, das ihm vorher freundlich gesinnt gewesen war, leistete ihm auch jetzt Unterstützung, zumal die Strafmaßnahmen des Königs die polnischen Sympathien schwerlich gefördert haben können. Sogleich setzte Bischof 65 Nikolaus das mächtige Danzig von seinem Erfolge in Kenntnis und bat um dessen Hilfe. Schon eine Woche später war die Einnahme Braunsbergs auch in Krakau bekannt, und König Kasimir gab sofort seinem Marienburger Hauptmann Johann Koscielecki Befehl zum Einschreiten. Auch Danzig und die preußischen Stände sollten Kriegsvolk aufbieten, um den Friedensbrecher Tüngen aus dem Lande zu vertreiben. Dieser reizte den Zorn des Königs noch dadurch, daß er die beiden königlichen Schreiber Nikolaus Brunowski und Hans Szander mit mehreren Dienern auf der Rückreise vom Hochmeister durch die Braunsberger festnehmen ließ, weil die Frauenburger polnische Besatzung wider die Vereinbarungen bischöfliche Untertanen beraubt hatte. Man erzählte sich sogar auf polnischer Seite, die Gefangenen seien an Händen und Füßen angeschmiedet worden. Trotzdem zeigten die preußischen Stände keine Lust, um des ermländischen Bischofs willen einen neuen Krieg zu beginnen, zumal die ermländischen Städte ihnen ihre unbedingte Gefolgschaft zu Tüngen versicherten. Da dieser in wenigen Monaten von seinem Ländchen tatsächlichen Besitz ergriff und es durch ein Heeresaufgebot zu verteidigen entschlossen war, vereinbarten die Abgesandten der preußischen Stände mit ihm am 20. September in Heilsberg einen Vertrag, nach dem der Streit um das Bistum auf dem Rechtswege durch den Hl. Stuhl entschieden werden sollte. Zugleich zeigten sie sich mit der Auffassung der ermländischen Stände einverstanden, daß Oporowski als Pole für das deutsche Ermland nicht tragbar sei, da das den Landesprivilegien widerspreche. In demselben Sinne richteten die Untertanen der ermländischen Kirche ein Bittgesuch an den Papst, in dem sie sich für Bischof Nikolaus und gegen Oporowski oder einen anderen Polen erklärten.

Um den verhaßten Tüngen loszuwerden, ließ König Kasimir aus taktischen Gründen seinen Kandidaten Kielbassa fallen und entschied sich im November 1472 für den päpstlichen Bewerber Oporowski. Trotzdem hielten die Ermländer an ihrem Landsmann Nikolaus fest und beklagten sich bei den preußischen Ständen auch darüber, daß Oporowski zuvor als königlicher Gesandter dem ganzen Rat und der Gemeinde von Braunsberg gedroht habe, er wolle allen Helfern Tüngens Hals, Leib und Gut nehmen. Wenn auch der preußische Landadel im Gegensatz zu den Städten für Oporowski Stellung nahm, so lehnten doch beide Stände wegen des Konfliktes eine kriegerische Auseinandersetzung ab. Da Kasimir aber durch Kämpfe mit König Matthias Korvinus von Ungarn in Anspruch genommen war.blieb Oporowski nichts übrig, als schon im Sommer 1474 das Feld zu räumen, zumal die römische Kurie im Hinblick auf die für das Ermland geltenden deutschen Konkordate Tüngen in seinem preußischen Bistum bestätigt hatte. Diesem sicherte ein förmlicher Bündnisvertrag mit Ungarn seinen Besitz, bis der Anschluß des Hochmeisters an dieses Bündnis i. J. 1477 den Ausbruch einen Krieges mit Polen in fühlbare Nähe rückte.

Im November wandte sich der Danziger Rat, der den Frieden aufrechtzuerhalten wünschte, im Ernstfalle aber um seiner Vormachtstellung willen dem polnischen König Waffenhilfe zu leisten entschlossen war, an Braunsberg mit der Aufforderung, Bischof Nikolaus zu neuen Verhandlungen mit den preußischen Landesräten zu bewegen. Indessen die Braunsberger erwiderten im Geiste vertrauensvoller Unterordnung unter ihren Bischof, es sei für sie als Untertanen ungebührlich, erneut ein solches Verlangen an ihren Landesherrn zu stellen. Als im Juni 1478 der neue Hochmeister Martin Truchseß mehrere westpreußische Burgen besetzte, verstand sich König Kasimir zu grundsätzlichen Zugeständnissen an die westpreußischen Stände, um dadurch ihre militärische Unterstützung zu erkaufen. Am 15. September erließ der königliche Statthalter den Absagebrief an die Ermländer, mit denen jeder Handelsverkehr verboten wurde, und befahl den Vormarsch des polnischen Heeres, das unter dem Befehl des Krakauer Burggrafen Jan Bieli stand. Damit begann der sog. Pfaffenkrieg. Vom Süden des Bistums drang der Feind siegreich zum Norden vor und rückte nach der Übergabe von Mehlsack (16. Okt.) gen Braunsberg, das vielleicht Ordenstruppen zur Verstärkung aufgenommen hatte. Gleichzeitig sollten bewaffnete Kähne der Danziger und Elbinger durch Sperrmaßnahmen auf dem Haff den Braunsberger Seehandel lahm legen, vielleicht auch von der Passarge her bei der Belagerung der Altstadt mitwirken. Aber die ermländische Hauptstadt mehrte sich tapfer. So fest waren ihre Mauern, so energisch der Widerstand der Verteidiger, daß Bieli sie trotz vierwöchiger Einschließung nicht niederzwang. Ja, die Besatzung fügte den Belagerern sogar in Ausfällen empfindliche Verluste bei. Da half den Bedrängten sichtlich die Hand Gottes und auch der Bistumspatron St. Andreas, dessen wunderbare Erscheinung manche in der Luft gesehen haben wollten. Trotz der Zufuhr von Lebensmitteln auf dem Haffwege war die Umgegend der Stadt bald so von Lebensmitteln ausgeplündert, daß Hunger und Not, auch Kälte den polnischen Hauptmann am 19. November zum Abzug zwangen. Bevor er wieder südwärts ins Bistum abrückte, ließ er 67 wohl die eben erst aus ihren Trümmern erstehende Neustadt und Vorstadt in Flammen aufgehen.

Während dieser ruhmvollen Verteidigung hatte der Braunsberger Rat Erlaubnis erhalten, an einem friedlichen Ausgleich diplomatisch mitzuwirken. Auf der Elbinger Tagfahrt (22.-29. Oktober) war die Stadt mit Bürgermeister Gorge Schonenzhe und Ratmann Czander von Loden vertreten, die als Wortführer der Ermländer für ihren Bischof und die Rechte ihres Bistums eintraten, gegenüber der ablehnenden Haltung der polenfreundlichen Stände jedoch einer Vereinbarung zustimmen mußten, wonach Tüngen das Land verlassen sollte. Dieser erklärte sich dazu bereit, wofern das Bistum bei seinen Freiheiten und Privilegien erhalten würde. Der polnische Heergraf Bieli verweigerte aber dem Bischof das freie Geleit zum Abzug und fuhr mit seiner Brandschatzung des Ermlandes trotz eines Waffenstillstandes fort. Auf dem Ständetag zu Elbing und Marienburg (29. 12. 1478 bis 12. 1. 1479) fühlten die vier Braunsberger Ratmannen Zander von Leyden, Paul Huge, Merten Scholtze und Nikolaus Krüger energische Beschwerde über Bieli und die polnische Besatzung von Frauenburg, die wiederholt Braunsberger Gesandte und Briefjungen ausgeplündert und durch Mord, Kinderraub u. a. ihnen schweren Schaden zugefügt habe. Während der verheerende Kleinkrieg weiterging, der auch Braunsbergs Seehandel empfindlich traf, bemühten sich die ermländischen Stände, durch Verhandlungen den Feindseligleiten ein Ende zu machen. Deshalb lehnten die Braunsberger im April ein Gesuch des Hochmeisters ab, der von ihnen zu einem Unternehmen gegen die Polen Hilfe erbat; rings von Feinden umdroht, müßten sie ihre eigene Stadt schützen und hätten keinen Mann übrig.

Da brachte endlich der Waffenstillstand zwischen Polen und Ungarn ( 2. 4. 1479) dem Bischof Nikolaus von Tüngen in seiner höchsten Not Rettung. Es war darin die Bestimmung aufgenommen, daß er als gleichberechtigter Vertragspartner unter ungarischem Schutz bei der entscheidenden Aussprache persönlich erscheinen durfte. In seinem Gefolge, das im Gegensatz zu dem „eitel schwarz" gekleideten des Hochmeisters die rote Farbe angelegt hatte, weilte als Vertreter der ermländischen Städte der Braunsberger Bürgermeister Alexander von Loyden. Wochenlange schwierige Verhandlungen zeitigten in Petrikau das überraschende Ergebnis, daß Bischof Nikolaus vom Könige in seinem Amte belassen wurde, dafür aber den Treueid leisten mußte. Am 15. Juli bat er zusammen mit zwei Domherren und dem Braunsberger Bürgermeister in der Vollsitzung des polnischen Reichstages den König Kasimir kniefällig um Verzeihung, und dann schwuren die ermländischen Vertreter zugleich im Namen der Bistumsinsassen dem polnischen Könige und seinen Nachfolgern als Schirmherren der ermländischen Kirche Treue und die unverbrüchliche Beobachtung des Thorner ewigen Friedens. Dafür erhob Kasimir den Bischof in den Rang eines senatorischen Reichsrats, gewährte allen seinen Anhängern Amnestie und bestätigte die Privilegien des Bistums. Verpflichtungen wie die, daß in Zukunft nur eine dem König genehme Person zum Bischof gewählt werden durfte, verstärkten jedoch die Bindung des Ermlandes an das Königreich Polen.

Nun rückten die polnischen Truppen aus dem Bistum ab, das nach entsetzlichen Verheerungen noch eine Steuer zur Bezahlung der Söldnerscharen aufbringen mußte. Eine Vereinigung, die Bischof Nikolaus im März 1485 zu Thorn mit den preußischen Ständen zum gegenseitigen Schutz ihrer Privilegien schloß, erwies sich als sehr nützlich, als nach dem Tode Tüngens das Domkapitel am 19. Februar 1489 den Thorner Patriziersohn Dr. Lukas Watzenrode zum ermländischen Bischof wählte. Da König Kasimir seinem eigenen Sohne Friedrich diese Würde zugedacht hatte, drohten wieder kriegerische Verwicklungen. Am 2. April erschienen der polnische Hofmarschall Raphael von Lesno und der Krakauer Domherr Johann Lubianski als königliche Gesandte in Braunsberg und erhoben vor den herbeigeholten sechs Domherren in Gegenwart des altstädtischen Rates förmlichen Protest gegen die Wahl Watzenrodes, da sie gegen den Petrikauer Vertrag verstoße. Als die Domherren die Rechtmäßigkeit ihrer Wahl energisch verteidigten, versuchten die Gesandten, die Braunsberger vom Domkapitel zu trennen, indem sie äußerten, wenn die Kanoniker dem König den Gehorsam verweigerten, so sollten doch die Städte ihrem Eide treu bleiben und dem Willen des Königs folgen. Aber auch diese Lockung scheiterte an der Einmütigkeit der Ermländer. Offene Drohungen, die die Gesandten und ihre Diener aussprachen, veranlaßten die ermländische Landesregierung, Städte und Schlösser mit Lebensmitteln zu versorgen, die Befestigungswerke instand zu setzen und Munition und Waffen zu beschaffen. Daß es trotz des königlichen Zornes gegen den „Menschen Lukas" nicht zum Kriege kam, war das Verdienst der preußischen Stände, vor allem Danzigs, das die Seele des Widerstandes im Kampfe um die Landesrechte war. Wiederholte Gesandtschaften der Ermländer waren notwendig, um der Sache ihres Bischofs zum Erfolge zu verhelfen; als Vertreter 69  der Städte nahm daran der Braunsberger Bürgermeister Loyden teil. Als die Gesandten im Dezember 1490 dem König selbst ihr Anliegen vortragen wollten, wurden sie von diesem nicht vorgelassen. Erst Kasimirs Tod (7. Juni 1492) bedeutete eine wesentliche Entspannung der bedrohlichen Lage, und zu seinem Nachfolger Johann Albrecht bahnte sich für Bischof Lukas bald ein vertrauensvolles Verhältnis an.

So waren dem Ermland einige Jahrzehnte des Friedens vergönnt, die auch Braunsbergs Wirtschaft und Wohlstand fördernd zustatten kamen. Der 1477 gestiftete dreitägige Jahrmarkt „uf tag Francisci" (4. Oktober) sollte nach Beendigung der Ernte und vor Beginn des Winters weitere Käuferkreise anziehen. In frommem Wetteifer wandte man sich wieder der Bereicherung und Ausschmückung der Pfarrkirche zu. So errichtete das Schuhmachergewerk mit Bewilligung des Bischofs i. J. 1484 den Andreasaltar, dessen Hauptbild auf reichem, gemustertem Goldgrunde die markigen, breiten Gestalten der hl. Petrus, Andreas und Simon zeigt und in einem späteren Altarwerk noch heute erhalten ist. Aus dem Jahre 1485 stammen vier von kleinen Löwen gestützte Messingleuchter auf dem Marienaltar. In den Ausgang des 15. Jahrhunderts ist wohl auch der prächtige Marien-Kronleuchter aus Bronze zu setzen, dessen farbige Doppelstatue der Gottesmutter von zierlichen ovalen Reifen und schwungvoll ausladenden Lichtarmen umrahmt wird. Eine Nachbildung des kostbaren Stückes hängt neuerdings in der Marienkapelle der Marienburg. 1490 erwirkte der Rat einen päpstlichen Ablaß für die Teilnehmer der Sakramentsprozession am Donnerstag vom Hochaltar in die „Kapelle der Schiffsleute und Hauptherren St. Nikolai." In dieser Zeit muß auch der wertvolle Holzschrein entstanden sein, der noch jetzt die Donnerstagkapelle ziert und in seiner gemütvollen, behäbig bürgerlichen Darstellung des Marienlebens zu den schönsten Werken der mittelalterlichen Holzschnitzerei in unserer Heimat gehört. 1494 weihte Bischof Lukas dem Gedächtnis seines Vorgängers Paul die vorerwähnte Bronzeplatte. 1509 ließ der Rat einen Jakobusaltar fertigen: im selben Jahre entstand unter dem Glockenturm ein zweiter Kreuzaltar. Um dieselbe Zeit arbeitete Meister Hans der Orgelmacher, wohl derselbe Hans von Konitz, der eben im Frauenburger Dom seine Kunst bewiesen hatte, an einer neuen großen Orgel in der Katharinenkirche. Auch das kleine Orgelchor am Hochaltar ist, wie das Wappen des Bischofs Lukas beweist, um 1500 erbaut worden.

Wenn auch die reifsten jener gotischen Kunstwerke den Werkstätten erprobter auswärtiger Meister zu verdanken sein mögen, so werden wir doch den Anteil eingesessener Kunsthandwerker an unserm gotischen Kircheninventar nicht unterschätzen dürfen.

Die reichsten Zuwendungen aber erfuhr die Kirche und auch die ganze Stadt von einem ihrer gelehrtesten und bedeutendsten Söhne, von Thomas Werner. Dieser war der Sproß einflußreicher und wohlhabender Patrizierfamilien. Sein gleichnamiger Vater begegnet uns in der Zeit von 1430 - 32 als bischöflicher Vogt auf dem Braunsberger Schloß und seit 1439 als Bürgermeister der Altstadt. Seine Mutter Katharine geb. Trunzmann entstammte einem alteingesessenen Geschlecht, das schon 1355 im Bürgerbuch erscheint; ihr Vater Nikolaus saß bereits 1408 im Rate. Nach dem Tode ihres Gatten heiratete die Witwe um 1453 den aus dem Christburgschen stammenden Ritter Benedikt von der Schonenwiese, der 1457 als Ratsmitglied mit wichtigen Gesandtschaften betraut wurde. Der junge, begabte Thomas Werner bezog zu Ostern 1448 die Universität Leipzig, wurde dort schon nach zwei Jahren Baccalaureus und im Herbst 1454 Magister der artistischen (philosophischen) Fakultät. Damit trat er als Professor in den Lehrkörper der Universität ein. Nach Weihnachten 1457 lieh ihm auf seine Bitten der Braunsberger Rat aus seiner Libraria (Bücherei) zwei kostbare Handschriften, ein juristisches Werk des Johann Calderinus aus Bologna und ein philosophisch-religiöses von Petrarka. Die Bücher wurden mit 20 ungarischen Gulden bewertet, und die Mutter des Magisters mußte mit ihrer ganzen Habe Bürgschaft leisten, damit im Verlustfalle zwei andere Bücher „in solcher Form" wieder der Ratsbibliothek einverleibt werden könnten. Erst 1485 wurden die entliehenen Bücher zurückgeliefert.

Inzwischen war Thomas Werner zu hohen Würden aufgestiegen. 1461 und 1479 bekleidete er das Amt eines Dekans der Artistenfakultät, 1464 war er Rektor der Universität, 1471 wurde er Mitglied des größeren Fürstenkollegs in Leipzig, 1476 ermländischer Domherr und Domkustos. Auch dem Domkapitel von Zeitz wurde er eingereiht. Nachdem er 1482 zum Doktor der Theologie promoviert worden war, wurde er 1486 in die theologische Fakultät aufgenommen. Neben seiner Lehrtätigkeit in den artistischen, später in den theologischen Wissenschaften verfaßte er geschätzte theologische und historische Schriften. Als ermländischer Domkustos weilte er nur vorübergehend zur Wahrnehmung dieser Amtsobliegenheiten in seiner 71 Heimat, nahm aber an dem Kampf der Bischöfe Nikolaus und Lukas um die Rechte der ermländischen Kirche tätigsten Anteil.

Wie stark er innerlich mit seiner Vaterstadt verbunden blieb, bewies er in mehreren Stiftungen. Aus besonderer Verehrung gegen die Gottesmutter Maria und zur Förderung ihres Psalters gründete er in der von seinen Vorfahren errichteten sog. Flügghen-Kapelle die Rosenkranz-Bruderschaft, deren Satzung am 8. Januar 1485 von Bischof Nikolaus bestätigt wurde. 1489 überwies Werner dieser Stiftung ein Kapital und 30 Morgen Land in der Aue zur Dotation von zwei aus Braunsberg gebürtigen Priestern, die je 4 Messen wöchentlich in der Kapelle lesen sollten. Bevor der reiche Professor am 23. Dezember 1498 in Leipzig verstarb, übergab er am 14. Dezember auf seinem Sterbelager in Gegenwart seiner beiden Schüler Tidemann Giese aus Danzig und Matthias Höpner aus Braunsberg sein genaues Testament in aller Form dem Notar. Daraus seien folgende seine Geburtsstadt betreffende Bestimmungen mitgeteilt:

Als Vollstrecker seines letzten Willens berief er für die Braunsberger Legate den dortigen Bürgermeister Zander von Loyden und den Ratsherrn Urban Kroll. Aus seiner reichhaltigen Bibliothek überwies er 60 teils geschriebene, teils gedruckte Bücher an das Franziskanerkloster seiner Vaterstadt; die 30 wertvollsten, die er mit 160 rheinischen Gulden taxierte, machte er mit ihren Titeln namhaft, 30 andere sollten für sie die Minderbrüder in Leipzig auswählen. Der größte Teil dieser kostbaren Handschriften und Wiegendrucke wurde i. J. 1626 aus Braunsberg von den Schweden entführt und findet sich heute in der Universitätsbibliothek Uppsala. Weiter sollten die Braunsberger Pfarrkirche für ihre bauliche Unterhaltung 30 M. erben, die Armen des Georghospitals 30 M., das Andreas-Hospital 8 M.; in beiden Anstalten sollte dafür ein weiteres Bett beschafft werden. Der Dreifaltigkeits-Kapelle in der Neustadt sollten 5 M. zufallen, der Johanniskapelle 6 M.. dem Minoritenkloster 20 M., den beiden Häusern der Beginenschwestern je 5 M. Mit allen diesen Legaten waren Meß- und Gebetsverpflichtungen verbunden. Für die Bekleidung bedürftiger Armen in Braunsberg waren 10 M. ausgesetzt, von denen graues und schwarzes Tuch gekauft werden sollte. Für 5 M. sollten Schuhe für Arme und Schüler der Stadt beschafft werden. Selbst für öffentliche Bauten und die Unterhaltung der Befestigungsmauern vermachte der anhängliche Sohn der Stadt 10 M., dazu seinen Panzer mit Zubehör. Schließlich errichtete er mit einem Kapital von 600 rheinischen Gulden eine Studien Stiftung in Leipzig, aus der zwei bedürftige Braunsberger Studenten nach Wahl ihres Rates 6 Jahre hindurch je 30 Gulden jährlich erhalten sollten. Das waren beträchtliche Summen eines sehr großen Vermögens, für die man erst den rechten Maßstab gewinnt, wenn man hört, daß Hochmeister Hans von Tiefen in seiner Finanznot dem Professor Werner das ganze Dorf Eisenberg für 1000 M. verpfändete.

Ein hervorragendes Kunstwerk hält das Andenken des frommen Wohltäters in seiner Marienkapelle noch bis auf unsere Tage fest: der Rosenkranzaltar, der wahrscheinlich wenige Jahre nach seinem Tode hier Aufstellung fand. Er besteht aus dem Hauptbilde, an das sich zu beiden Seiten je zwei Flügel wie die Blätter eines Buches anfügen. In feinen, edlen Formen stellt der Meister vielleicht vom Niederrhein Szenen aus dem Marienleben und Heiligenfiguren dar. Am schönsten aber das Mittelstück: Aus goldener Himmelsglorie schwebt in hoheitsvoller Majestät die Gottesmutter mit dem Jesuskinde im Arm auf der Mondsichel. Zwei Engel halten eine Krone über ihrem Haupte. Zu Füßen der Rosenkranzkönigin knien, den Blick flehend zu ihr erhoben, zwei Gestalten mit Rosenkränzen in den Händen: rechts der Stifter Thomas Werner in weißer Domherrntracht, links seine Mutter in schwarzem Mantel mit weißem Kopfschleier. Auf dem Spruchbande der Patrizierfrau lesen wir die Worte: Du moder godes Bidde gott vor mich, und auf dem des Domherrn: Mater Dei memento mei (Mutter Gottes, gedenke meiner). Vielleicht sind die Gesichtszüge des gelehrten Professors von porträthafter Ähnlichkeit; wir hätten dann das älteste Bildnis eines Braunsbergers vor uns.

Über solcher gläubigen Erhebung in das beseligende Reich der himmlischen Ewigkeit, wie sie die frommen Stiftungen und Bildwerke jener Zeit offenbaren, sank das Erdenschwere dieser Zeitlichkeit in ein vergängliches Nichts. Das Leben aber mit seinen Sorgen und Mühen, Leidenschaften und Kämpfen ging darüber weiter, forderte von jedem seinen Zoll . . .

Weil der Schloßkaplan von Barten den dortigen Lehrer tätlich mißhandelt und dieser beim zuständigen Diözesanbischof Lukas Klage geführt hatte, entstand i. J. 1493 ein ärgerlicher Rechtsstreit zwischen dem Bischof und dem Hochmeister, da dieser behauptete, kraft päpstlicher Privilegien seien alle zum Hausstand des Ordens gehörigen Personen von der bischöflichen Rechtsprechung befreit. Bei den verwickelten juristischen Auseinandersetzungen wurde wiederholt Braunsberg als Verhandlungsort gewählt. So kam eine illustre Gesellschaft, die 73 Komture von Brandenburg, Holland, der Großkomtur, der Ordensmarschall, zwei samländische Domherren, 6 Ratsherren der drei Städte Königsberg und adlige Lehensleute des Ordens, am 2. Dezember 1493 zu einer Aussprache mit Bischof Lukas und mehreren Domherren auf dem Braunsberger Rathaus zusammen, die aber zur Verschärfung der Gegensätze führte. Nachdem der Streit bis zur römischen Kurie und den deutschen Fürsten getragen worden war und Bischof Lukas dabei vergeblich für eine Verpflanzung des Ordens nach Podolien als Schutzwehr gegen die Türken Stimmung gemacht hatte, kam am 14. November 1496 in Einsiedel eine Begegnung zwischen dem Hochmeister und seinen Gebietigern mit dem Bischof und Vertretern des Domkapitels zustande. Am ersten Tage speiste Watzenrode, feierlich vom Großkomtur eingeholt, an der Tafel des Hochmeisters, am folgenden Tage bewirtete er diesen in seinem Braunsberger Schlosse. Hatte diese Zusammenkunft bereits eine Annäherung der fürstlichen Nachbarn erzielt, so ergaben neue Verhandlungen in Braunsberg im März 1497 zu Heilsberg einen förmlichen Vergleich.

Bald darauf ereignete sich in Braunsberg ein merkwürdiger Zwischenfall, der nach der eben erfolgten politischen Entspannung kaum verständlich erscheint. Am Abend des 3. April streuten einige Bürger das Gerücht aus, Bischof Lukas habe einige hundert Bewaffnete in Marienburg zusammengezogen und wolle sie nachts heimlich ins Schloß lassen, um dann gegen die Bevölkerung nach Willkür vorzugehen. Als die Nacht anbrach, hörte man hier und dort in der Stadt Waffen klirren; aufgeregte Bürger hatten für alle Fälle Harnisch und Hellebarde vorgeholt. Dadurch wurden wieder andere mobil, die von der Sache noch nichts erfahren hatten, und so entstand rasch ein großer Tumult, der auch Frauen und Kinder aus dem eisten Schlummer scheuchte. Mutig ließ man das Hohe Tor öffnen und lauschte, ob in der Nähe feindliches Waffengeräusch zu vernehmen sei; aber nichts regte sich, alles war draußen ruhig und still. Da rückte man zur Schloßbrücke, riß sie zu einem Drittel ab und warf die Stücke in die Passarge, damit nicht etwa hier der Feind einzöge. Einige Kecke drangen so» gar ins Schloß und untersuchten die Gewölbe und Keller, ob sich da nicht Soldaten verborgen hielten. Aber sie konnten nichts Verdächtiges entdecken und berichteten das den anderen. Da überkam sie alle ein Gefühl peinlicher Scham, und man drückte sich kleinlaut ins heimische Schlafgemach.

Die Kunde von den Vorfällen der verflossenen Nacht verbreitete sich mit Windeseile durchs Ermland und erreichte auch rasch den Bischof in Heilsberg. Dieser aber war über das Verhalten seiner Braunsberger Untertanen empört, glaubte er doch, sich immer wohlwollend um die Förderung der städtischen Interessen bemüht zu haben. Der Bürgerschaft kam mittlerweile zum Bewußtsein, welchen Argwohn und welche Unbotmäßigkeit sie gegenüber dem Bischof bekundet habe. Daher entsandte sie eine Abordnung zu ihm und legte ihm wiederholt dar, die Ausschreitung sei ohne Wissen des Rates durch einige Einwohner hervorgerufen, der Rat und die ganze Gemeinde bedauerten lebhaft das Vorkommnis, und der Herr Bischof möge nicht die Gerechten mit den Ungerechten verfolgen. Dieser aber überschüttete sie mit heftigen Vorwürfen und entließ sie in Ungnaden. Nun griffen einige Prälaten des Domkapitels vermittelnd ein. Auf ihre Anregung veranstaltete der Rat eine Untersuchung über den Tumult und ließ drei Rädelsführer festnehmen, während ein vierter entfloh. Danach reiste eine neue Gesandtschaft nach Heilsberg, der Dompropst und der Domdechant und zwei Ratsmitglieder. Durch ihre gemeinsamen Vorstellungen und Bitten ließ sich Watzenrode erweichen. Auf die Einladung des Rates kam er zum Feste Peter und Paul nach Braunsberg, wo seinem Burggrafen die drei Delinquenten ausgeliefert wurden. Dieser trat mit dem Stadtschultheißen und seinen Besitzern zum Gericht zusammen, und dieses verurteilte die Übeltäter zum Tode, weil sie die Mitbürger zum Aufstande aufgewiegelt, freventlich die Unverletzlichkeit des Schlosses gebrochen und Untreue gegen den Landesherrn verübt hätten. Der Henker ergriff sie, um am nächsten Morgen das Urteil an ihnen zu vollstrecken. Der strenge Spruch weckte nun doch weite Teilnahme, und die Angehörigen der Schuldigen bestürm­ten den Bischof mit Bitten um Begnadigung. Wirksamer aber war die Fürsprache der Frauenburger Domherren, auf deren Rat die Rädelsführer damals in Haft genommen waren; sie fürchteten, bei Hinrichtung der Verurteilten selbst schweren kirchlichen Strafen zu verfallen. Daher wurde nicht ohne viele Schwierigkeiten das Urteil dahin gemildert, daß zwei der Schuldigen dauernd aus der Stadt verbannt wurden; der Hauptanstifter aber wurde zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt und im Heilsberger Schloßverlies eingekerkert, wo er dann starb.

Die Durchreise des neuen Hochmeisters, des Herzogs Friedlich von Sachsen und seines Bruders Georg, denen der Bischof durch die Stadt bis zur Grenze das Ehrengeleit gab, schaffte der Bevölkerung am 26. September 1498 ein willkommenes Schauspiel. Eine böse Zeit durchlebte sie, als eine pestartige Seuche 75 vom Herbst 1505 bis Anfang 1507 in der Stadt wie auch sonst im Lande zahlreiche Opfer forderte.

Hatte schon die Ablehnung des polnischen Huldigungseides durch Hochmeister Friedrich wiederholt die Kriegsgefahr in bedrohliche Nähe gerückt, so kam diese Spannung unter seinem Nachfolger Markgraf Albrecht von Brandenburg zur Entladung. Im Ermland regierte seit 1512 Dr. Fabian von Loßainen, der nach langem Sträuben den folgenschweren Petrikauer Vertrag hatte unterschreiben müssen, wo­nach fortan bei Erledigung des Bischofsstuhles der polnische König das Recht hatte, eine Liste von vier ihm genehmen ermländischen Domherren aufzustellen, an die das Domkapitel bei seiner Wahl gehalten war. Während so Ermlands Bindungen an Polen verstärkt wurden, suchte sich Hochmeister Albrecht von ihnen frei zu machen. Schon 1516 plante er eine kriegerische Befreiung von der polnischen Oberhoheit, wenn auch zunächst die gereizte Spannung auf Grenzüberfälle und Handelsverbote beschränkt blieb. So beklagte sich Heiligenbeil im April 1517 beim Hochmeister, daß die Braunsberger alle umliegenden Krüge mit Bier versorgten, das Getreide schon auf dem Halm aufkauften „der armen Stadt Heiligenpeyl zu Schaden". Daraufhin verbot der Hochmeister im Juli 1517 allen Handel der Ermländer, besonders der Braunsberger und Wormditter, im Ordenslande bei Verlust der Ware. In der Nacht vom 29. zum 30. August wurden 50 Speicher, Scheunen und Häuser vor der Passargestadt und andere Höfe und Dörfer von einer Bande von etwa 100 Reitern aus dem Ordensgebiet in Brand gesteckt. Beschwerden beim Hochmeister schufen kaum Abhilfe. Noch Ende Oktober 1519 ereignete sich hart an der ermländischen Grenze ein räuberischer Überfall. Der Faktor des englischen Königs Heinrich VIII. Jaen Johanssoen und der eng» tische Untertan Thomas Merten kamen mit einer wertvollen Ladung Pelzwerk aus Livland. In Königsberg erstanden sie in der Kanzlei des Hochmeisters zu ihrer größeren Sicherheit, einen Paßbrief. Trotzdem folgten ihnen „etzliche" von Königsberg an bis Einsiedel; hart hinter der Landesgrenze sprengten die Räuber auf sie los und raubten ihnen 11 Zimmer Zobelpelz, wovon 9 Zimmer für 6300 Rigaer Mark für den englischen König selbst, die beiden anderen für 1600 M. von Merten angekauft worden waren. Außerdem ließ die Bande noch Kleider, Kleinodien und Geld im Werte von 300 M. mitgehen. Wie weit die aus Danzig abgesandte Beschwerde des königlichen Handelsherren beim Hochmeister Erfolg hatte, ist nicht aktenkundig. Der Danziger Rat fühlte sich zu einer Eingabe an Bischof Fabian veranlaßt, er möge sich beim Hochmeister der Beraubten annehmen, um Vergeltungsmaßnahmen der Engländer gegen die preußischen Kaufleute abzuwenden.

Über den Reichtum einzelner Braunsberger Kaufherren vor dem sogenannten Reiterkrieg gibt uns eine briefliche Notiz des Hochmeisters Aufschluß, nach der das wohlhabende Handelshaus Kirsten Mitte Dezember 1519 für einen großen Abschluß 1800 M. an barem Gelde vereinnahmte.

1519 begannen auf Seiten des Ordens wie Polens die Kriegsrüstungen. Bischof Fabian wußte, daß der Kampf vornehmlich in seinem Lande würde ausgetragen werden. Daher bemühte er sich bei beiden Parteien zu vermitteln, traf aber auch Sorge, Haß die Mauern, Gräben und Türme der Bistumsstädte instand gesetzt wurden.

Da zu Ende des Jahres polnische Truppen sowohl von Süden wie von Westen den Ordensstaat angriffen, entschloß sich der Hochmeister zu einem Handstreich auf die ermländische Hauptstadt. Er hatte sich früher dem Bischof gegenüber erboten, zwei Meilen von Braunsberg entfernt eine Brücke über die Passarge zu schlagen, um die Stadt nicht beim Durchzug zu schädigen. Natürlich konnte Fabian allein um der gefährdeten Braunsberger Handelsinteressen willen diesem Wunsche nicht entsprechen. Jetzt besetzte Albrecht den wichtigen Brückenkopf, um den Polen zuvorzukommen.

Es war am Neujahrsmorgen 1520. Hoch lag der Schnee, durch den eine Reiterabteilung von etwa 200 Pferden und ein Infanterietrupp von ungefähr 30 Mann mit etlichen Geschützen auf der Königsberger Straße gen Braunsberg stapfte. Durchfroren und übernächtigt machten sie um 7 Uhr in Einsiedel halt. Eine Patrouille wurde vorgeschickt; sie meldete, das Stadttor sei offen und unbewacht. Sofort gab der Führer, Hochmeister Albrecht selbst, Befehl zum Weitermarsch. Der Schnee dämpfte den Schall der Anrückenden, die plötzlich vor der Brücke erschienen. Der Stadtkämmerer Fabian Gert wollte noch die Mühlenbrücke hochziehen, zu spät, er büßte seinen Versuch mit dem Tode. Nun hielt Albrecht auf dem Ring (Markt), ließ ihn besetzen, die Heertrommel schlagen und mit Trompeten blasen, daß es in der ganzen Stadt erschallte. Der Rat und die Ältesten der Gemeinde waren gerade bei der Prozession in der Kirche, als sie der Hochmeister vor sich laden ließ. Erst als er ihnen Leib und Gut sicher sagte, kamen sie heraus. Inzwischen hatte auch der Landvogt Fabian von Maulen, der Schwager des Bischofs, aber zugleich ein Untertan des Hochmeisters, das Schloß übergeben. Es hatte genügt, 77 daß Albrecht vor dem verschlossenen Tore dreimal rief: „Fabke, tu auf!" Da kam dieser hervor, bat um Gnade und öffnete ihm das Tor. Der Burggraf Peter, ein Priester, weilte ebenfalls in der Pfarrkirche.

Hier im Schloß forderte der Hochmeister von dem Rat und den Gemeindeältesten den Treueid; aber viele verwiesen auf den Schwur, den sie dem Bischof und der ermländischen Kirche geleistet hatten. Da entgegnete Albrecht, er habe im Sinne des Papstes und im Einvernehmen mit Bischof Fabian die Stadt besetzt, um sie vor den Polen zu schützen; deshalb sollten sie schwören oder sterben. Nun baten ihn viele kniefällig, er möge sie sicher wegziehen lassen; aber das lehnte er ab. Da traten der Landvogt Fabian und der 2. Bürgermeister Philipp Teschner hervor, erklärten von einer Vereinbarung des Bischofs und des Hochmeisters gehört zu haben, daß dieser die Stadt „bis zu Austrag der Sachen bewahren" wollte, und befürworteten die Huldigung; „denn man müßte tun wie arme Leute, die unvertorben sein wollen." Der Hochmeister versicherte noch, er werden ihnen hernach schriftlich beweisen, daß der Bischof mit der Besetzung der Stadt einverstanden sei, es sollte ihnen auch „nicht ein Haar gebrochen, nicht eines Hellers Wert genommen" werden. „So sie also klug wären und unvertorben sein wollten, so würden sie sich der Eidesleistung nicht weigern." Durch alle diese Vorstellungen und Drohungen wurden die Anwesenden endlich mürbe, lieferten die Schlüssel der Stadt aus und schwuren dem Hochmeister Treue.

So hatte Albrecht ohne jeden Verlust, in kecker Überrumpelung den wichtigen Handelsplatz, die Hauptstadt des Bistums, erobert, ein verheißungsvoller Anfang für seine kriegerischen Unternehmungen, ein schwerer Verlust für die polnische Gegenpartei, aber auch für den Bischof, der seinem Lande um des Friedens willen am liebsten die Neutralität erhalten hätte. Es fehlte daher in Braunsberg und im Ermland nicht an Stimmen der Kritik, die von Untreue und sogar Verrat sprachen und namentlich gegen den Landvogt und den Bürgermeister heftige Anschuldigungen richteten, sie hätten treulos gehandelt, sogar heimlich ihre Hand im Spiele gehabt.

Um gegenüber unangenehmen Überraschungen gesichert zu sein, befahl der Hochmeister der Bürgerschaft, alle Hauswehren (Waffen) auf dem Schloß abzuliefern, und verbot alle Zusammenkünfte. An den Bischof lichtete er ein Schreiben, in dem er seine Handlungsweise im Hinblick auf die kriegerische Lage rechtfertigte. Dann ernannte er seinen Kumpan Friedrich 78von Heideck zum Kommandanten der eroberten Stadt und fuhr am selben Tage „selbst sechste" nach Königsberg zurück.

Bischof Fabian wollte am Silvestertage von Elbing nach Braunsberg heimkehren, hatte aber des tiefen Schnees wegen seine Reise verschoben. Als er nun am Neujahrstage unterwegs war, erfuhr er von einem flüchtigen Braunsberger den Überfall, drehte eilends um, setzte den königlichen Hauptmann von Elbing in Kenntnis und machte sich am nächsten Tage auf nach seinem festen Schloß Heilsberg. Hier erhob er in einem Antwortschreiben lebhafte Klage über das Vorgehen des Hochmeisters. Die Stadt Braunsberg sei diesem stets geöffnet gewesen, auch wenn er nachts gekommen sei; ihre Besetzung sei wider die Abrede und gegen den Willen des Papstes. Der Hochmeister „sollte sich über diese Lande erbarmen und sich zu Freundschaft und Frieden mit dem Könige von Polen neigen."

Inzwischen hatte Heideck in Braunsberg die nötigen militärischen Sicherungen getroffen. Drei große Büchsen ließ er aufs Schloß rücken mit der Schußrichtung gegen die Stadt, auch die Türme und Tore der Stadt wurden mit Geschützen, darunter sechs kleinen Feldschlangen aus Balga, bestückt. Durch Sicherungsbauten und Schutzwehren suchte er die Befestigungen so zu verstärken, daß sie ohne große Gefahr nicht genommen werden könnten. Die Brücke am Kutteltor wurde abgebrochen, nur das Mühlen- und Hohe Tor wurden offen gehalten, die anderen festgemacht. Die Besatzung wurde durch Königsberger Handwerksgesellen, die wöchentlich 1 M. Sold erhielten, und Bürger vermehrt. Sie wurde zu dreien und vieren auf Bürgerquartiere verteilt. Im Schloß lag der Befehlshaber Heideck mit seinem Stab, den Hauptleuten Dietrich von Schlichen, Peter von Dohna, Klingenbeck und anderen. In Kürze war hier der Hafer verbraucht, alles Bier ausgetrunken, und das Brotkorn auf den Söllern ging zur Neige. Mit dem vorgefundenen Malz braute man neues Bier. Vom Gute Klenau mußte das Vieh herhalten, zwei Ochsen wurden auf einmal geschlachtet.

Der Verlust Braunsbergs war für die Polen sehr empfindlich. Bevor sie mit Waffengewalt die Rückeroberung betrieben, verfolgte ein Marienburger Hauptmann einen anderen Plan. Er dang drei Gesellen, die je 10 M. erhalten sollten, wenn sie die Passargestadt an mehreren Stellen in Brand steckten. Indessen der verbrecherische Anschlag wurde entdeckt und den Übeltätern Schwefel und Pulver abgenommen; dann wurden sie dem Scharfrichter überliefert. Heideck ließ nun alle Keller und Häuser durchsuchen, alle Lebensmittel aufzeichnen 79 und die Einwohner mahnen, aufs Feuer achtzuhaben. 2 - 3 Königsberger Jungen wurden mit Pferden in den Krügen zu beiden Seiten der Stadt stationiert, im Adlerkrug, (der am 18. 5. 1427 vom Rate begründet wurde, indem dieser an Peter Reymann den Bauplatz hinter dem Hl. Geiste (Hospital) verlieh), und im Hohen Krug, (zu dessen Anlage am 17. 8. 1432 Meister Johann Sonnefeld der (Toten) Gräber einen Raum „gegenüber den Leinenwebern" (Berliner Straße) erhielt.) Wenn nachts Briefe ankämen, sollten diese Postjungen mit blasendem Horn geweckt werden, damit sie an die geschlossenen Pforten kämen und hier die Briefe in einer Rolle in Empfang nähmen und weiterbeförderten.

Von seinem Braunsberger Stützpunkt aus unternahm Heideck Streifzüge in die Umgegend. Um Vieh, Getreide und anderen Proviant zu erbeuten, ritt er schon in der Nacht zum 8. Januar mit 70 Pferden ins Elbinger Gebiet aus. Im übrigen mußten die Gebiete von Balga und Brandenburg, selbst Königsberg Zufuhren an Lebensmitteln leisten, die in Braunsberg auch zur Verteilung an andere Ordenstruppen aufgestapelt wurden. Bei Pr. Holland holte sich der Hochmeister am 19. von den Polen eine empfindliche Schlappe.

In diesen Tagen führte der Braunsberger Rat über alle möglichen Ausschreitungen und Willkür der Landsknechte vor dem durchreisenden Hochmeister lebhafte Klage und erinnerte ihn an seine früheren Zusicherungen. Die Söldner verantworteten sich mit Vorwürfen gegen die Ratsherren, die verräterische Beziehungen mit dem Mehlsacker Burggrafen Pfaff angeknüpft hätten und ihm die Schlüssel der Stadt überliefern wollten, damit die Polen desto leichter hineinkämen. Albrecht stellte durch eine Untersuchung fest, daß noch von altersher Nachschlüssel auf dem Stadthause vorhanden seien. Da ihm erzählt wurde, daß schon früher einmal die Braunsberger eine Besatzung aus der Stadt vertrieben hätten (i. J. 1461), machte er kurzen Prozeß, ließ 12 Ratsherren gefangennehmen und paarweise gefesselt nach Königsberg bringen. Dann ließ er einen anderen Rat einsetzen, der ihm huldigen und schwören mußte; Schlüssel zu den Toren wurden ihm aber nicht mehr belassen. Selbst das Läuten der Glocken verbot Albrecht vorsichtshalber. Und weil er erfuhr, daß von Domherren, Dorfpfarrern und anderen Priestern Geld und Silberwerk in der Braunsberger Pfarrkirche vergraben sei, ließ er diese verschließen und nahm die Schlüssel in Verwahrung. Als sich darüber die in der Kirche amtierenden Priester beklagten, ließ er sie zum Bischof nach Heilsberg treiben und bestellte zum Pfarrer der Gemeinde einen gewissen Lorenz, Herzog von Geldern genannt, den der Bischof wegen Teilnahme an früheren Raubzügen mit lebenslänglichem Kerker bestraft hatte. Die vergrabenen Schätze aber konnte der Hochmeister ausfindig machen.

Die gefangenen 12 Ratsherren durften sich in Königsberg eine Herberge suchen, mußten aber eine eidesstattliche Versicherung abgeben, daß sie sich nicht ohne Wissen des Hochmeisters aus der Stadt entfernen, auch nicht Briefe oder Kundschaften schreiben würden. Alle Tage mußten sie sich um 12 Uhr auf dem Schlosse dem Hauskomtur oder dem Hofmarschall vorstellen. Auf vielseitige Bitten wurden sie Ende März nach Braunsberg entlassen, aber bald nach Ostern wurden der Bürgermeister Georg Schönwiese, sein Kumpan Teschner und Hans Ludtke abends bei der Kreuzkapelle auf einen Wagen gebunden und nach Königsberg weggeführt, ohne daß zunächst jemand erfahren konnte, weshalb und wohin.

Am 23. Januar zog Heideck nach Frauenburg, brannte die Stadt und alle Wohnhäuser auf dem Dome aus, konnte aber die Kathedrale selbst wegen einer geringen polnischen Besatzung nicht nehmen. Ende Januar forderte der Hochmeister die städtischen Privilegien, Register und amtlichen Briefe aus der Stadtkammer nach Königsberg. Die Privilegien fand man nicht und vermutete, sie konnten vergraben sein. Von Rechnungsbüchern und sonstigen Archivalien waren aber so viele vorhanden, daß man wohl einen Monat gebraucht hätte, um alle zu überlesen, und deshalb war Heideck ungehalten darüber, daß man ihn mit solchen Dingen behelligte.

Wie die früheren Kriege brachte auch der Reiterkrieg die übliche Wegelagerei und Brandschatzung auf beiden Seiten zu trauriger Blüte. Von Frauenburg aus verheerten polnische Streifzügler mehrere Dörfer der Braunsberger Umgebung, darunter Passarge, und äscherten sie ein. Ihr Anschlag auf die Vorstadt vor dem Hohen Tor wurde dadurch vereitelt, daß Heideck ihn durch einen gefangenen Spion vorher erfuhr. Der Ergriffene wurde tags darauf gehenkt, ebenso ein anderer Pole, obwohl der Hochmeister nachträglich dieses schnelle Verfahren mißbilligte, da er Gegenmaßnahmen befürchtete und von den Gefangenen gern mehr Nachrichten aus dem feindlichen Lager herausbekommen hätte.

Am 8. Februar unternahm Heideck einen Eroberungszug nach Mehlsack, das sich sogleich ergab und eine Besatzung von 300 Mann erhielt, die aber schon nach einer Woche nach Braunsberg zurückbefohlen wurden, weil die Polen, etwa 600 81 Reiter und 400 Fußtruppen, am 13. die Stadt bedrohten. Sie beschränkten sich aber darauf, in der Vorstadt und der Umgegend Vieh zu rauben und Käufer niederzubrennen, doch wagte Heideck mit feinen 500 Landsknechten nicht den Kampf mit ihnen, zumal es ihm an Pferden mangelte. Da ihm auch Blei fehlte, riet ihm der Hochmeister, die Orgeln in den Kirchen, die Taufkannen und Schüsseln anzugreifen. Seine Lage wurde auch dadurch schwieriger, daß die Landsknechte stürmisch ihren Sold forderten, seine Mittel aber erschöpft waren. Erst am 28. Februar verließen die Polen ihre Stellungen vor der Stadt. Sie nahmen Mehlsack und rückten verheerend in das östliche Ordensgebiet vor. Am 15. März eroberte Albrecht im Sturm Mehlsack zurück; doch gewann die Übermacht der Polen auch im Bistum immer mehr Boden.

Bischof Fabian und sein Domkapitel, deren Neutralitätspolitik Schiffbruch erlitt, hatten inzwischen über die Schädigungen ihres Landes durch den Orden bei der päpstlichen Kurie und dem polnischen König Klage geführt. Neue Friedensvermittlungen des Bischofs blieben erfolglos. Noch hatte das Kriegsglück nicht eindeutig entschieden.

Heidecks Schwierigkeiten in Braunsberg wuchsen. Seine Büchsenmeister klagten über die Verpflegung und verlangten Geld, um sich selbst beköstigen zu können. Die Landsknechte erzwangen von ihm eine Lohnerhöhung. Der Hochmeister wollte Teile seiner Besatzung für andere Unternehmungen verwenden, doch drohte der ermländischen Hauptstadt von Westen her, wo starke polnische Truppen lagen, unmittelbare Gefahr. Daher zog Heideck zur besseren Bewachung der Mauern Schalwerksleute aus dem Brandenburgischen und Balgischen heran.

Mit 200 Pferden erschienen die Polen am 14. April vor der Neustadt. Fast hätten sie diese auf den ersten Streich genommen. Sie drangen schon bis an die inneren Schranken vor, da schlug diese ein hinzugelaufener Bürger der Altstadt zu, wobei er durch den Arm geschossen wurde. Die Polen trieben Vieh weg und lieferten mit den sie daran hindernden Ordensknechten ein Scharmützel; die wegen ihrer Grausamkeit gefürchteten Tataren verschossen dabei etwa 200 Pfeile, ohne jedoch viel zu treffen.

Nachdem Ende April Holland von den Polen genommen war, bei dessen Verteidigung auch Braunsberger Bürger hatten mitkämpfen müssen, sollte Braunsberg an die Reihe kommen. Hier fehlte es an Truppen, Proviant und Geld; auch die 12 Hakenbüchsen und 4 Büchsenmeister waren unzureichend. Heideck wollte bei einer Belagerung das Äußerste tun, wunderte sich aber, daß der Hochmeister diesen Flecken, der jetzt das Herz des Ordens sei, so vernachlässigte. Am 7. Mai drangen etwa 90 feindliche Reiter von Regitten her gegen die Neustadt vor, deren Schranken geschlossen waren. Heideck schickte 60 Knechte hinaus, die auf der Wiese vor den Schranken mit den Polen scharmützelten, ein Fähnlein erbeuteten und sie zurückdrängten. Diese vereinigten sich mit anderen Reserven und griffen von drei Seiten her die Neustadt an, die die Ordensknechte räumen mußten. Die Mühle, in die sich die Flüchtigen zurückgezogen hatten, konnte Heideck mit Geschütz entsetzen. Auf der Brücke drängte sich die verängstigte Bevölkerung der Neustadt, der der Feind auf den Fersen war. Das Mühlentor konnte der Kommandant aber nicht öffnen, weil sonst Freunde und Feinde in der Stadt Einlaß gefunden hätten. Die Polen erstachen Bürger und Bauern und erwürgten und verwundeten selbst Frauen, Wöchnerinnen und Kinder in der Wiege. Auch 100 Mann der Ordenstruppen wurden erstochen, erwürgt oder verbrannt. An drei Stellen der Neustadt legten die Feinde Feuer an. Nach diesen Heldentaten zogen sie ab. Trotz eigener Not mußte Heideck den armen Leuten Lebensmittel verabrei­chen. Aber nur die Verwundeten konnte er in die Altstadt hineinlassen, für alle Neustädter hätte der Proviant nicht gereicht. Gleichzeitig mit diesem Angriff vom Lande her unternahmen die Danziger mit 4 Jachten einen Einfall von der Passarge her, beraubten die armen Leute und führten sie weg.

Waffenstillstandsverhandlungen ließen im Juni eine Kampfpause eintreten. Auf einer Reise nach Thorn machte Albrecht am 14. Juni in Braunsberg Station und ernannte bei dieser Gelegenheit Heideck zum Hauptmann und Verwalter der Stadt; was er in des Hochmeisters Namen tat, sollte so angesehen werden, als habe es der Hochmeister in eigener Person getan.

Anfang Juli wurde die Lage für die Altstadt kritischer. In neuer Aktivität legten sich die Feinde vor die Passarge, um den Wasserweg nach Königsberg zu sperren. Eine Pulverzufuhr aus der Pregelstadt wurde von den Polen aufgehoben. Die Landsknechte drohten wegen der ausstehenden Soldforderungen den Dienst aufzukündigen und wurden beim Hochmeister selbst vorstellig. Es war ihnen außer ihrem Gehalt zugesagt, bei der Einnahme von Städten, Flecken und Schlössern sollten die Sturmglocke, das Geschütz und Pulver auf der Wehr ihr eigen sein, oder der Hochmeister müßte dafür eine Ablösung zahlen. Sie erinnerten nun an die Eroberung von Braunsberg und Mehlsack, für die ihnen die ausbedungene Belohnung noch 83 ausstehe. Aber Albrecht konnte beim besten Willen statt der angeforderten 6000 nur 1000 M. und wenige Bewaffnete zur Verfügung stellen. Er riet Heideck, den Söldnern die Kirchenkleinodien und alles Silbergeschirr der Stadt zu verpfänden; selbst die Stadt und das Geschütz wollte er ihnen schlimmstenfalls zum Pfande überlassen.

Am 7. Juli begann die Belagerung Braunsbergs. Etwa 7000 Mann unter Führung des Palatins von Sandomir Nikolaus Firlei wurden dazu angesetzt. Zunächst warfen die Polen Schanzen auf und beschossen daraus vom 10. bis 12. die Stadt. Besonders den Kirchturm nahmen sie unter Feuer, um die dortigen Beobachtungsposten zu verscheuchen. Die Spitze des massigen Turmes und das Dach wurden dabei „verschampiert", auch die größte Glocke beschädigt. Am 12. eröffneten die Braunsberger ihr Geschützfeuer und brachten die feindlichen Büchsen zum Verstummen. Am 14. kam es zu einem Ausfallgefecht. Heideck schickte etwa 150 Knechte zu der Schanze beim oberen Tor, hinter der 16 Fähnlein mit etwa 500 Polen und Böhmen lagen. Den Angriff unterstützte von den Mauern her die Artillerie. Die Polen verloren zwei Hauptleute, 120 Mann, 14 Fahnen und 5 Hakenbüchsen. Die Polen waren im Kampfe den Deutschen trotz ihrer Überzahl nicht gewachsen, und hätten diese mehr Knechte zur Verfügung gehabt, so hüten sie ihnen alle Geschütze, die sie von Holland hinübergeschafft hatten, weggenommen. Auf Ordensseite war der Tod des Hauptmanns Hans von Helb, der der stellvertretende Befehlshaber von Braunsberg war, zu beklagen. Die erbeuteten Fahnen ließ Heideck „Gott und seiner werten Gebärerin zu Lob" in der Pfarrkirche aufstellen.

Ein anderes bedeutenderes Scharmützel spielte sich am 22. Juli ab. 40 Pferde und 200 Knechte der Stadtbesatzung fielen in das Lager der Tataren und Polen, das diese bei der Vogel-Schießstange vor dem Obertore aufgeschlagen hatten, und vertrieben sie daraus, waren aber zu schwach, um diesen Erfolg auszunutzen; vielmehr wurden 30 Reisige und mehrere Knechte verwundet und 3 Knechte getötet, während die Polen nur einen Toten und mehrere Verwundete zählten.

Ein andermal überfielen bei stiller Nachtzeit polnische Reiter das Vieh, das Heideck requiriert hatte und auf der Weide zwischen der Stadt und der Passarge mit etlichen Hakenbüchsen bewachen ließ. Sie trieben es weg und wurden wohl unter Feuer genommen, jedoch die Schützen „beleidigen keinen nicht, allein einem Kalbe haben sie das Hinterbein durchgeschossen." Auf den Lärm des Gefechtes stürzten sich über 100 Knechte aus der Stadt auf die Viehräuber und kämpften mit ihnen; dabei büßten sie über 40 Knechte, die Polen 11 Mann ein.

Zu den Belagerern gehörte auch der Hauptmann Baltzer von Donen, ein Vetter des Braunsberger Hauptmanns Peter von Dohna; er war mit 200 Bewaffneten aus Schlesien auf dem preußischen Kriegsschauplatz erschienen. Durch eine List wollte er vor Braunsberg einen Hauptstreich führen. Er bat seinen Vetter um eine Unterredung. Als diese im schönsten Fluß war, versuchte er mit seinen verborgenen Landsknechten die Stadt zu überrumpeln. Aber die Verteidiger waren auf der Hut; der Anschlag mißlang, und Herr Baltzer wurde ins Bein gestochen.

Noch wird uns aus diesen Belagerungswochen berichtet, wie 15 kecke Landsknechte in der Stadt Lecker auf Kirschen bekamen und sich bewaffnet über die schönen Flüchte am Frauenburger Weg hermachten. Das wurden die Polen gewahr, fielen mit 50 Mann zu Roß und Fuß über sie her und jagten sie in den Grund; aber die Braunsberger wehrten sich wacker und erzählten nachher, sie hätten mehr als die Hälfte erschlagen. Ihnen selbst hatten freilich die frischen Kirschen 6 Schwerverwundete gekostet. Fortan ließ man aber die Landser nicht mehr ohne Urlaub aus den Toren.

Wochen und Wochen schleppte sich die Belagerung der mit den damaligen Geschützen kaum einnehmbaren Altstadt hin. Nach den eisten Mißerfolgen war die Kampfeslust auf der polnischen Seite bald erlahmt. Einer ihrer Hauptleute, der Schlesier Hans von Rechenberg, klagte, es sei schade um das Pulver, das man hier verschieße, besser wäre es, könnte man es gegen die Ungläubigen gebrauchen. Immerhin setzte man das Bombardement fort, richtete an den Befestigungswerken, Häusern und der Kirche manchen Schaden an und verschanzte sich immer stärker gegen die städtische Beschießung. Man hoffte die Eingeschlossenen allmählich doch mürbe zu machen. Zur Verpflegung wurde die nähere und weitere Umgegend ausgepocht; aber an Sold fehlte es auch den Polen. Wegen der ungenügenden Löhnung wollten 400 Reiter abrücken und wurden nur mit Mühe von ihrem Hauptmann festgehalten.

Trotz der energischen Verteidigung sah es bei den Belagerten keineswegs rosig aus. Die widerspenstige Besatzung und der Geldmangel machten Heideck nach wie vor viel zu schaffen. Mit Mühe und Not erhielt er von den Bürgern 1500 Gulden geliehen, doch sie reichten nicht weit, und die Knechte schrien wieder nach Sold. Die meisten von ihnen hatten sich nur für 85 drei Monate verpflichtet, und ihr Artikelsbrief gestattete ihnen, 14 Tage vor Ablauf des Monats den Dienst abzusagen oder neu zuzusagen. Jetzt machten sie trotz der Gegenvorstellungen der Hauptleute Schwierigkeiten, weigerten sich länger zu bleiben und schickten Abgesandte mit ihren Forderungen zum Hochmeister, der in Finanznöten steckte. Ja, bei einem Scharmützel gebürdeten sie sich so ungehorsam, daß die Hauptleute den Kampf abbrechen mußten, obwohl sie keine Verluste erlitten hatten. Sorge machte dem Kommandanten auch das Zerspringen von zwei Geschützen binnen kurzer Zeit, es deuchte ihm, „es geht nicht richtig zu." Zeitweilig war er krank und quälte sich auf seinem Schmerzenslager mit schlimmen Zweifeln über das Schicksal der ihm anvertrauten Stadt. 

Da in höchster Not geschah das Unerwartete, schier Unglaubliche! Die Polen rückten zu Michaelis (29. September) nach fast dreimonatlicher vergeblicher Belagerung ab. Anhaltender Regen und die ungeregelte Verpflegung hatten viele Erkrankungen verursacht. Außerdem verlautete, ein dänisches Hilfsheer für den Orden sei im Anmarsch. Heideck konnte sich mit Recht seines Erfolges rühmen, und selbst ein Dichter feierte im Landsknechtlied die siegreiche Verteidigung:


Vor Königsperg schuffen die feinde nicht,

Sie karrten wider hinder sich,

Thetten vor den Brawnsperg rücken.

Sie logen dar ein firtel jar,

Es wolt inn nicht gelücken.


Sie richten uff ein feste schanntz,

Dorin sich Hub der bettler tantz.

Die Prewschen meisterknechte

Schlugen die Polen uff den schwantz,

Gar vil zu tode blechten.


XIIII schoen fenlein wol gethan

Stunden uff demselbigen plan,

Die wurden eyngetragen

Zu Brawnsperg in des ordens stadt,

Sy getorften vor schandt nicht klagen.


Uff der heiligen sanndt Magdalenen tag (22. Juli)

Ein feyn schirmützell do geschah,

Die Polen musten weichen.

Manch resiger an der erde lag,

Die drabenn dergleichen.

 

Indessen das launische Kriegsglück bescherte dem Hochmeister vor der Vischofsburg Heilsberg eine arge Enttäuschung. Zwei hartnäckige Versuche, sie zur Übergabe zu zwingen, schlugen fehl; dagegen fielen Guttstadt und Wormditt im November in seine Hände. Da aber des sehnlich erwartete deutsche Hilfsheer vor Danzig aufgerieben wurde, zeigte er sich mehr als früher den Friedensvermittlungen des Herzogs von Liegnitz zugänglich. Dieser brachte am 15. Februar 1521 zunächst einen vierwöchigen Waffenstillstand zuwege. Während dieser Zeit befahl der Hochmeister seinem Braunsberger Burggrafen Peter von Dohna, die Eisenschlangen, welche auf dem Keuteltor lagen, samt Kugeln und anderm Zubehör, sowie sechs Serpentiner samt anderen Büchsen, die für Schiffe tauglich waren, eilends nach Königsberg zu schicken; offenbar wollte er damit seine Kriegsflottille bestücken. Am 5. April wurde dann zu Thorn ein vierjähriger Anstand vereinbart, durch den dem Blutvergießen und Plündern ein Ziel gesetzt wurde. Über die von jeder Partei eroberten Städte und Schlösser sollten später Schiedsrichter die Entscheidung fällen.

Demgemäß verblieb auch Braunsberg einstweilen dem Orden, und dieser suchte aus der arg mitgenommenen Stadt möglichst viel Nutzen zu ziehen. Die städtische Freiheit, die vordem 40 M. Jahreszins eingebracht hatte, war völlig leistungsunfähig geworden; viele benachbarte Dörfer waren nahezu oder ganz wüst geworden. Burggraf Dohna hatte deshalb schwierige Verwaltungsaufgaben zu lösen.

Mitte April verbot Albrecht, ohne seine besondere Genehmigung Waren aus der Stadt auszuführen. Er begründete die Maßnahme damit, daß er erfahren habe, es sei dort noch Eigentum der feindlichen Danziger an Flachs, Hopfen und anderer Ware vorhanden, die er hätte beschlagnahmen können. In seiner Finanznot forderte er nun 3/4 des Flachses, das letzte Viertel könnten die Braunsberger zu ihrem eigenen Besten gebrauchen. Diese erklärten, Danziger Güter nicht zu besitzen. Gegen die Flachssteuer sträubten sie sich, indem sie an ihre Kriegsleistungen erinnerten; sie hätten für die Knechte 3000 M. vorgestreckt. Mehr als 150 Bürger hätten drei Monate vor Holland gelegen und seien von städtischem Gelde unterhalten worden, auch hätten sie die Knechte des Hochmeisters mit Essen und Trinken, Kühen und Pferden versorgt. Der Flachs sei in den Kellern zum Teil naß geworden und verdorben, so daß er keine große Einnahme erhoffen lasse. Nach weiteren Verhandlungen erboten sie sich schließlich im Juni notgedrungen, für den Flachs 3000 M. zu steuern. Obwohl der Hochmeister aus diesem 87 Hauptausfuhrgut noch mehr herausholen wollte, mußte er sich doch mit der angebotenen Summe zufrieden geben. Den städtischen Schuldbrief überwies Albrecht dem Berliner Bankier Anton Wins, dem er größere Zahlungen zu leisten hatte. Daraus erwuchsen der Stadt erhebliche Schwierigkeiten. Als Wins seine Forderung geltend machte, aber auf Widerstand stieß, kam es zu vielen Weiterungen, die nicht nur den Hochmeister und seinen Stellvertreter, sondern auch den Magistrat von Danzig und selbst den Kurfürsten von Brandenburg beschäftigten. Schließlich half sich der Berliner Bankier i. J. 1524 damit, daß er Braunsberger Güter in Danzig mit Arrest belegen ließ. Darüber erhob sich in der Passargestadt eine solche Erregung, daß der Rat im Dezember den Burggrafen Dohna festnehmen ließ. Der Hochmeister forderte alsbald seine Freilassung, um ihn zu Verhandlungen zum Kurfürsten Joachim zu schicken, und versprach der Bürgerschaft, für allen Schaden aufzukommen.

Da der Krieg den Bestand an Schlachtvieh nahezu vernichtet hatte, waren teure Fleischpreise die natürliche Folge. Daher beschloß im August 1521 der Braunsberger Rat einen Ziegenmarkt, wie er damals auch in anderen Städten stattfand, abzuhalten, wofür er die Erlaubnis des Hochmeisters erbat. Dieser ließ ferner den Braunsbergern im September ein strenges Verbot zugehen, die Braugerste, die sie in Königsberg und im Samlande gekauft hatten, nach Elbing und Danzig weiter zu verkaufen. Starke Unzufriedenheit über den bürgerlichen Wachdienst, den man nicht mehr für nötig hielt, führte Ende 1522 sogar zu feiner Verweigerung. Trotzdem glaubte die Ordensregierung, auf dieser Sicherheitsmaßnahme bestehen zu müssen. Im Mai 1523 wurde eine genauere Bestimmung dahin getroffen, daß des Nachts vier Bürger samt dem Stadtdiener Wache halten sollten; am Tage sollte ein Bürger unter allen geöffneten Toren wachen und ein Bürger dem Türmer beigegeben werden; ebensoviele Wachtmannschaften sollte auch der Burggraf namens des Hochmeisters stellen.

An dem dauernden Besitz des für den Durchgangs- und Handelsverkehr wichtigen Braunsberg war dem Hochmeister sehr viel gelegen; deshalb sollte auch fein Prokurator bei der römischen Kurie dafür sorgen, wenn nicht das ganze ermländische Stift, so doch wenigstens Braunsberg für den Orden zu sichern. Als am 30. Januar 1523 Bischof Fabian verstarb, trug sich Albrecht mit neuen Hoffnungen. Er wies seinen römischen Gesandten in einem Schreiben auf den besonderen Wert Braunsbergs hin. „Denn wir in nächster Fehde wohl empfunden. ob wir solche Flecken, in Sonderheit Braunsberg nicht gehabt, da es mitten zwischen unserm Lande gelegen, wie leichtlich die Polen uns wurden Schach geboten haben." Die Wahl des vom polnischen König benannten ermländischen Domkustos Mauritius Ferber zum Nachfolger Fabians (14. 4. 1523), die alsbald die Bestätigung der päpstlichen Kurie fand, vereitelte Albrechts Bemühungen um eine Eingliederung des Bistums in den Ordensstaat. Alle seine weiteren diplomatischen Schritte konnten doch den Krakauer Frieden (8. April 1525) nicht verhindern, nach dem er als Vasall der Krone Polen den Huldigungseid leisten mußte, dafür aber den Ordensstaat als weltliches Herzogtum erhielt. Die vom Ermland besetzten Gebiete mußte er räumen, auch die Stadt Braunsberg, obwohl er diese unter allen Umständen behalten wollte.

Nun lockte die als Brückenkopf bedeutende Handelsstadt auch die Begehrlichkeit der polnischen Krone, und man fand bald einen Grund, sie dem Bistum abspenstig zu machen, indem man den verstorbenen Bischof Fabian verdächtigte, er habe die Stadt verräterisch dem Orden in die Hände gespielt. Die Mehrheit des polnischen Reichssenates schloß sich diesen Auffassungen an, und so erschienen am 3. Juni 1525 in Braunsberg königliche Gesandte, um der Bürgerschaft den Eid der Treue für König Sigismund abzunehmen. Vergeblich hatte Bischof Mauritius sich an den Rat mit dem dringenden Ersuchen gewandt, als bischöfliche Untertanen die Huldigung abzulehnen: gegenüber der Forderung des mächtigen Königs war man zur Nachgiebigkeit gezwungen. Georg von Pröck bezog als königlicher Hauptmann das bischöfliche Schloß. Trotzdem wurde Mauritius nicht müde, durch einflußreiche Fürsprecher am Krakauer Hofe den König dazu zu bewegen, daß er ihm Braunsberg zurückgebe. Sigismund zeigte sich allmählich entgegenkommender, begegnete aber auf dem entscheidenden Petrikauer Reichstag, auf dem Bischof Ferber die Rückgabe der Städte Braunsberg und Tolkemit als von der Gerechtigkeit geboten darlegte (8.1.1526), sogar Einwänden der preußischen Abgeordneten, die sich offenbar von reformatorischen Erwägungen leiten ließen. Erst am 18. August 1526 wurde die ermländische Hauptstadt von königlichen Kommissaren ihrem angestammten bischöflichen Landesherrn wiedergegeben. 89

voriges Kapitel                                 nächstes Kapitel

Dies ist ein Kapitel der Festschrift "Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte" von Franz Buchholz zum 650jährigen Stadtjubiläum

www.braunsberg-ostpreussen.de