KREISGEMEINSCHAFT BRAUNSBERG (OSTPREUSSEN)

Chronik des Jahres 2007

 

Das Jahreshaupttreffen der Kreisgemeinschaft hat am 21. und 22. September 2007 in der Johanniter-Akademie mit einer erfreulichen Beteiligung von Braunsbergern aus Stadt und Kreis stattgefunden.

 

 

 

 

Frau Roswitha Möller mit unserem Kreisvertreter Manfred Ruhnau

 

Auftakt des Treffens war die Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft am Samstag um 15.00 Uhr mit dem Rechenschaftsbericht des Kreisvertreters und der Wiederwahl des Vorstands. Danach war dann geselliges Beisammensein und am Abend war gemütliche Runde in der “Bar des Hauses”.

Den Gottesdienst am Sonntag in der nahen Heilig-Geist-Kirche, zu dem - wie in den letzten Jahren immer - auch die evangelischen Braunsberger herzlich eingeladen waren, hielt wieder Rektor Pfarrer Carsten Franke aus Freckenhorst.

Bei der `Festlichen Stunde´ um 10.30 Uhr in einem Saal der Johanniter-Akademie – es waren etwa 100 Landsleute und Freunde gekommen – konnte unser Kreisvertreter als Gäste den Münsteraner Bürgermeister Herrn Varnhagen, unseren Mittelsmann zur Stadt Münster, Herrn Klaus Niehus, die Vorsitzende des BdV Münster Frau Roswitha Möller, Herrn Rektor Pfarrer Carsten Franke und den Kreisvertreter der Rößeler Herrn Plen mit seiner Gattin begrüßen.

In seinem Grußwort dankte der Bürgermeister Herr Varnhagen erst einmal dem Vorstand für die geleistete Arbeit und wünschte uns allen Glück und Erfolg für die Zukunft. Dann erinnerte er an das kulturelle Erbe Deutschlands, zu dem auch bedeutende Menschen aus dem deutschen Osten gehören, wie Joseph Freiherr von Eichendorff, Immanuel Kant, Lovis Corinth. Und gerade bei Eichendorff stimmt der Satz besonders: “Wer einen Dichter verstehen will, muss seine Heimat kennen”, und das ist ja auch der wichtigste Sinn unseres Zusammenseins. Leider gibt es auf höherer Ebene gerade im Zusammenhang mit unseren polnischen Nachbarn einige Probleme und einige Türen sind zugeschlagen, doch auf untere Ebene wie bei uns gibt es doch auf alle Fälle ein hoffnungsvolles Miteinander.

Die Vorsitzende des BdV Münster Frau Roswitha Möller wies zunächst darauf hin, wie in Münster-Nord und in Münster-Ost bei den Straßennamen mit ostdeutschen Orten, Landschaften und Personen Zusatzschilder angebracht wurden, damit die Münsteraner von heute wissen, auf was oder auf wen sich diese Schilder beziehen. Die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Dalai Lama der Fakultäten Chemie und Biologie der Universität Münster nahm Frau Möller dann zum Anlass, einen Bogen von der Vertreibung der Tibeter und von ihrem Wirken im Exil zu unserer Vertreibung und zu unserem Wirken hier zu schlagen. Im Gegensatz zu uns hat es der Dalai Lama dabei gut, er ist hochangesehen und in aller Welt willkommen, so stellen sich unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Ministerpräsident von NRW Rüttgers gerne auf seine Seite. Und 11 000 Kinder von Exiltibetern gelten “daheim” als hoffnungsvolle Kulturträger. Immerhin hat die NRW Kultusministerin Frau Sommer inzwischen verfügt, dass die Themen Flucht und Vertreibung ab der 5. Klasse aufgearbeitet werden sollen. Gehen wir also als Zeitzeugen in die Schulen!

Den Festvortrag hielt Frau Dr. Marianne Kopp über Agnes Miegel: “Ich kam in dies Land wie in mein Erbe”. Agnes Miegel ist ja nicht nur so gerade eine ostpreußische Heimatdichterin, die sich nur auf Ostpreußen bezieht, sondern sie ist die Dichterin, deren Thema die Heimat ganz allgemein ist, schlechthin. Schließlich sind die Vorfahren der Ostpreußen ja sozusagen international, außer Deutschen und Österreichern (“Salzburger”) sind alle möglichen Nationen vertreten, Holländer, Engländer, Franzosen, nur eben keine Polen und Litauer. Die unterschiedliche Herkunft der Ostpreußen schlägt sich auch im Gefühl für Heimat wieder, es bezieht sich weniger auf ein konkretes Land, sondern auf etwas eher Geheimnisvolles, das sie vielleicht als Ahnengedächtnis bezeichnet. Worin Heimat nach Agnes Miegel besteht, erklärt Frau Dr. Kopp dann an unterschiedlichen Werken, etwa an Hand der Erzählung “Katrinchen”, den Ballade “Die Fähre” und “Die Frauen von Nidden”, dem Heimatgesang “Mutter Ostpreußen”. In einem Gedicht ist selbst das stacheldrahtumzäunte Lager in Dänemark Heimat, schließich hat die Erde Dänemarks Zuflucht geboten. In der Ballade um den Hochmeister des Deutschen Ordens Heinrich von Plauen geht es schließlich darum, dass Heimat mehr ist als Ordensregeln und zwischenmenschliche und religiöse Maximen. Seine Liebe zu dem ihm anvertrauten Land gibt ihm Verantwortung, Ziel und Kraft und ist stärker als jede andere Pflicht, auch wenn er keinen persönlichen Grundbesitz hat und nicht die Erde bebaut wie die meisten Neusiedler.

Die `Festliche Stunde´ wurde umrahmt von Darbietungen des Blechbläser-Ensembles Galaxi-Brass der Universität Münster.

Das Treffen im kommenden Jahr findet ausnahmsweise am fünften Wochenende im September statt (der Monat September hat im nächsten Jahr fünf Wochenenden), und zwar wieder in der Johanniter-Akademie.

Steuerbegünstigte Spenden, die u.a. zur weiteren Kontaktpflege mit unseren Landsleuten in den neuen Bundesländern und in der Heimat und zur Herausgabe unseres Heimatbriefs benötigt werden, bitte auf unser Spendenkonto Kreisgemeinschaft Braunsberg e.V., Konto-Nr. 367 398 bei der Sparkasse Münster, BLZ 400 501 50 überweisen.

Hingewiesen sei hier auf den Bildband “Braunsberg/Ostpreußen und sein Kreis”, der für 29,50 € + Versandspesen beim Schriftführer M. Preuschoff, Bergstr. 29, 50171 Kerpen zu erhalten ist.

Heimatliches Kulturgut nicht achtlos vergammeln lassen oder gar wegwerfen! Setzen Sie sich bitte mit dem Kreisvertreter oder mit der Patenstelle in Verbindung! Jede wichtige persönliche Veränderung – insbesondere Wohnungswechsel – teilen Sie bitte ebenfalls mit.

Die Website der Kreisgemeinschaft ist www.braunsberg-ostpreussen.de. Hier finden Sie auch die “Bibel der Braunsberger”, also das Buch “Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte” aus dem Jahr 1934 von Franz Buchholz! M.P.

 

Und hier zunächst die Grußworte von Frau Möller beziehungsweise die Grußworte des BdV anlässlich des Treffens der Braunsberger in Münster am 22. / 23. 9. 2007

Lieber Herr Vorsitzender Manfred Ruhnau

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Varnhagen

Sehr geehrter Herr Niehues

Sehr geehrter Herr Steffen,

Seien Sie uns an diesem Wochenende in Münster herzlich willkommen! Ich freue mich, Sie, die Sie im letzten Jahr hier waren, wiederzusehen und habe große Achtung vor allen hier im Raum, die sich auf den teilweise sehr weiten Weg gemacht haben, um mit Ihren Landsleuten hier beisammen zu sein.

Sie hatten ja schon gestern einen ereignisreichen Tag und ich beglückwünsche den wiedergewählten Vorstand und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Zeit!

Wenn Sie in der letzten Zeit mal am Ermlandweg waren, so konnten Sie auf einem Zusatzschild unter dem Straßenschild folgenden Text lesen:

Kath. Bistum und Landschaft in Ostpreußen. Sie umfasste die Kreise Allenstein, Braunsberg, Heilsberg und Rösel.

Der Bund der Vertriebenen in Münster hat es geschafft zusammen mit der Bezirksvertretung Münster-Nord im nördlichen Teil von Münster 11 Straßenschilder mit ostdeutschen Namen mit einem Erläuterungsschild zu versehen. Im Stadtteil Münster-Ost wurden 9 Zusatzschilder bewilligt, die noch angebracht werden müssen. Da heißt es zur Braunsbergstraße „Braunsberg, Stadt und Burg in der ehemaligen preußischen Provinz Ostpreußen, Patenstadt der Stadt Münster seit 1954“.

Und zur Frauenburgstraße heißt es: „Stadt und Domburg im Kreis Braunsberg in der ehemaligen Provinz Ostpreußen“.

Sie sind hier nach Münster gekommen – ja beinahe hätte ich gesagt – im Schlepptau eines anderen weltberühmten Vertriebenen – Sie hatten es sicherlich über die Medien mitbekommen – nämlich des 14. Dalai Lama, dem geistlichen und weltlichen Oberhaupt der Tibeter. Am 6. Juni 1998 im Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens war er schon einmal hier und hatte die Menschen begeistert. In diesem Jahr war er von der Universität Münster eingeladen worden, um die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Chemie und Pharmazie verliehen zu bekommen. Wenn er auch selber kein Wissenschaftler ist, so wurde sein Engagement für die Verbindung von Wissenschaft und Religion gewürdigt.

Der 14. Dalai Lama wurde 1935 in Tibet geboren. Er war keine zwei Jahre alt, als Mönche ihn als Wiedergeburt des 13. Dalai Lama entdeckten. Bereits mit viereinhalb Jahren wurde er zum 14. Dalai Lama ernannt. In den 1950er Jahren wurde Tibet von den Chinesen besetzt. Der Dalai Lama musste 1959 im Alter von 24 Jahren in einer gefährlichen Aktion über den Himalaja nach Indien fliehen. Dort lebt er seitdem im Exil und tritt weltweit für den Frieden ein. Er hat dafür schon viele Preise bekommen, 1989 den Friedensnobelpreis. Seit der Flucht des Dalai Lama 1959 haben rund 90.000 Flüchtlinge die eisigen Pässe des Himalaja gemeistert. Im indischen Exil leben heute rund 120.000 Tibeter, davon allein 11.000 Kinder in elf tibetischen Kinderdörfern. Die Kinder in der Dalai Lama Schule gelten daheim als Hoffnungsträger einer untergehenden Kultur.

Ja, meine Damen und Herren, liebe Freunde aus der Heimat, das kommt uns doch alles sehr bekannt vor – sogar die Sache mit dem Nobelpreis. Bereits vor Jahren wurde vorgeschlagen, den deutschen Heimatvertriebenen für ihre Friedfertigkeit den Friedensnobelpreis zuzuerkennen.

Ja, fast möchte man sagen, der Dalai Lama hat es gut – der wird von allen willkommen geheißen, er wird hoch geachtet, bewundert, verehrt und angebetet. Das konnten die deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nicht von sich sagen und das kann Erika Steinbach, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen – die ja, wenn man so will, bei uns die Position des Dalai Lama vertritt, wenn auch ohne religiösen Anspruch, auch nicht von sich behaupten. Auch heute noch – 62 Jahre nach Beendigung des 2. Weltkrieges wird sie von polnischen Regierungsangehörigen diffamiert und beleidigt. Aber auch der Dalai Lama wird von den chinesischen Besatzern als Separatist angesehen.

Der Dalai Lama nutzt, so oft es geht, über die politische Situation seines Heimatlandes zu sprechen. Der jetzt 72 Jahre alte Vertreter seiner Heimat setzt sich weltweit für die Freiheit seines Volkes, vor allem aber für Toleranz und Frieden ein. Als weiterer Gast war der Ministerpräsident von NRW Jürgen Rüttgers da, der sich eindeutig zu einem freien Tibet bekennt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, dass Jürgen Rüttgers immer bereit ist für ein Gespräch mit dem BdV-Landesvorsitzenden Hans-Günter Parplies und auch zur Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen anlässlich „60 Jahre Flucht und Vertreibung“ mit dem am. Völkerrechtler Alfred de Zayas kam und Grußworte sprach.

Der Dalai Lama, der sich selbst als Flüchtling bezeichnet, deutet die derzeitige demographische Bedrohung als „sehr, sehr ernst. Er sagt:“ In Lhasa-Stadt leben heute 300.000 Menschen, zwei Drittel davon sind Chinesen. Ein einzigartiges Kulturerbe droht zu sterben“. Auch das kommt uns bekannt vor – nur mit dem Unterschied, dass in unseren Heimatgebieten kaum noch deutsche Einwohner leben. Und dass Volksgruppen wie die Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesier, Ostbrandenburger usw. und ihre Kultur bereits fast ausgestorben sind. Und das seit 1945 ohne Friedensvertrag.

Der Dalai Lama ist Buddhist. Er vertritt ein gewaltfreies, friedliches Miteinander der Menschen und Kulturen. Respekt vor allen Menschen und Toleranz sind seine höchsten Gebote. Er sagt: Durch Freundlichkeit lässt sich schon vieles in der Welt ändern. Über Buddhisten und Christen sagt er: Es geht darum, die gemeinsamen Werte zu stärken, Liebe, Vergebung und Toleranz, die in allen Religionen hoch gehalten werden.

Die deutschen Heimatvertriebenen sind oftmals mutlos, wenn sie an diese ihre Bemühungen denken. Bislang hat man es ihnen wenig gedankt, im Gegenteil, sie wurden oftmals als Reaktionäre und Revanchisten beschimpft.

Aber Ihre Geduld und Ihre Friedfertigkeit werden belohnt: Gestern konnte man in den Nachrichten vernehmen, dass die NRW-Schulministerin Sommer verfügt hat, dass ab dem nächsten Schuljahr in allen Schulen das Thema „Flucht und Vertreibung“ ab der 5. Klasse behandelt werden soll.

Nun sind wir aufgerufen, unser Wissen in die Schulen zu tragen. Tun wir es, so lange wir es noch können. Wenn Sie Kinder und Enkelkinder in der Schule haben, bieten Sie den Lehrern an, dass Sie gerne in den Unterricht kommen würden und Ihre Erlebnisse berichten würden. Tun wir es, solange noch Zeitzeugen leben, das sind wir unserer Heimat und unseren Nachkommen schuldig!

Es lebe unsere Ostdeutsche Heimat!

Es lebe unser Westdeutsches Zuhause!

Ich danke Ihnen

 

 

Den Festvortrag hielt Frau Dr. Marianne Kopp über Agnes Miegel: Die Stimme Ostpreußens - Zum Thema Heimat.

 

 

Dr. Marianne Kopp, Bürgermeister Varnhagen (Stadt Münster) und Anneliese Neß

 

Aus ihrem Vortrag (den ganzen Vortrag kann ich nicht bringen, aus urheberrechtlichen Gründen. Sie finden Ihn aber in ihrem Buch: "Agnes Miegel, Leben und Werk", Husum 2004, auf Seite 64 ff):

Große Ehrungen und Preise, die Agnes Miegel verliehen werden, sind vor allem in diese Zusammenhänge gestellt. 1924 erhält sie die Ehrendoktorwürde der Königsberger Universität Albertina, ". . . weil sie, festgewurzelt in ostpreußischem Wesen, reiche Lebensfülle und tiefe Heimatliebe mit meisterhafter Kraft gestaltet hat". Die Verleihungsurkunde des Goethepreises der Stadt Frankfurt ist "der beschwörenden Gestalterin der Kräfte des preußischen Lebensraumes“ gewidmet.

Ihr Leben in der geliebten ostpreußischen Heimat zu beschließen und dort begraben zu werden, wie sie es immer wieder im dichterischen Wort von frühen Jahren an erhofft, dieser Wunsch geht ihr nicht in Erfüllung. 65-jährig muss sie schließlich, wie einst ihre Salzburger Vorfahren, Haus und Habe und die vertraute Welt ihrer Herkunft und Zugehörigkeit verlassen und mit ihren Landsleuten auf die Flucht gehen. Schicksal scheint sich zu wiederholen, wenn auch unter anderen politischen Voraussetzungen. Auf dem letzten Weg durch die zerstörte Vaterstadt zum Hafen gehen ihre Gedanken auch zu den Erlebnissen der Vorfahren, die das gleiche Schicksal der Vertreibung tragen mussten, berichtet sie später.

In den langen Jahren und Jahrzehnten des Wachsens und Werdens, Dienens und Dichtens hat Agnes Miegel längst gefühlt, erfahren und zutiefst verstanden, was Heimat bedeutet und was es bedeutet, sie zu verlassen. So schrieb sie schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg die Ballade "Die Fähre" und weiß: "Von der Heimat gehn ist die schwerste Last, die Götter und Menschen beugt" . Ihre Briefe und Gedichte aus der Zeit im Internierungslager Oksböl sind geprägt von dieser "schwersten Last", die sie gleichwohl tapfer und gefasst trägt, mit ihren Landsleuten teilt und ihnen noch Trost zu spenden vermag. Den Ihren ist sie geliebter, Halt gebender Mittelpunkt und gar die personifizierte "Mutter Ostpreußen", wie eins ihrer Ostpreußenlieder überschrieben war. (Dass dieser ehrenvolle, emotionale Titel ihr in der Literaturkritik der Nachkriegszeit bis heute eher schadete und sie in die Ecke einer eng gefassten Heimatdichtung stellte, steht auf einem anderen Blatt.)

Da Heimat an sich für sie eine der unabdingbaren Grundlagen des menschlichen Lebens ist, steht dieses große Thema auch an zentraler Stelle in ihrem dichterischen Werk. Immer wieder geht es um Menschen, die nach Ostpreußen kommen und dort Heimat finden, aber auch um Entwurzelte, Emigranten, Vertriebene, oder um Heimkehrer, die sich auf ihre Wurzeln besinnen. Auffällig ist dabei, dass es eigentlich kaum heimatlose Menschen in Agnes Miegels Erzählungen, Märchen und Balladen gibt, d. h. Menschen, die von gar keiner Heimat wissen. (,Fern der Heimat' bedeutet ja bei weitem nicht dasselbe wie ,ohne Heimat'. ) Dies ist freilich ein Zug, der in der Welt ihrer Herkunft lag. "In gesichertem Behagen lebten wir hin, in fest gefügten Lebensformen, in aller Armut stolz, ein jeder auf sein Preußentum und den festen Platz, den auch dem Bescheidensten von uns seine Kaste gab. "154 Worin eigentlich "Heimat" besteht und wohin jemand heimkehren kann, soll nun an verschiedenen Textbeispielen untersucht werden.

Die Erzählung "Katrinchen" von 1936 schildert den Besuch eines Mädchens bei seinen Tanten in Elbing, in der angestammten Heimat seines Vaters. Ihre Mutter kommt aus dem Elsass, sie ist in Karlsruhe geboren und an verschiedenen Orten aufgewachsen. "Aber zu Hause, das ist bloß dort", belehrt ihr älterer Vetter sie vor der Reise, "für Vater und für Katrinchens Vati und die Tanten und darum für uns. " Die Tante, die Katrinchen auf der Durchreise in Berlin besucht, versteht das ebenso. "Armes Schafchen, mal hier, mal da gewohnt, weißt ja noch gar nicht, was Zu-Haus-Sein meint!"

Schließlich hat sie ein Erlebnis, bei dem das Ahnengedächtnis in ihr erwacht, sie findet das Haus der in Bitterkeit verstorbenen (ihr namens gleichen) Urgroßmutter und bewirkt auf geheimnisvolle Weise eine Versöhnung zwischen den Generationen. Diesen Tag definiert sie selbst als den "Mittwoch vor Ostern, als Katrinchen glücklich nach Hause kam!"

Was Zu-Haus-Sein meint, ist vielleicht am eindringlichsten und konkretesten in der Ballade "Die Fähre".s6 ausgedrückt, in den Dialogworten, die das auswandernde, unsichtbare Geistervolk mit ihrem Anführer tauscht.

"Was ist für Götter und Menschen Glück?

Das Glück, dem keines gleicht?"

,,0 das ist: den eignen Boden sehn

so weit das Auge reicht!

Und Gruß und Rede hören

wie altvertrautes Wiegenlied.

Und Wege gehen wo jeder uns

wie Kind und Bruder ähnlich sieht!"


Hier spricht sich der Stolz des Land besitzenden Bauern aus, der mit seiner weit verzweigten Sippschaft seit unzähligen Generationen in dem Land verwurzelt ist, wo durch Heiraten hin und her fast jeder mit jedem verwandt ist.

Heimat, das kann aber auch die Menschenwelt, das Menschsein schlechthin sein, mit der Fähigkeit zu Liebe und Erbarmen und der ewigen Seligkeit der gottergebenen Seele. Dies kommt in Märchen und Balladen um naturmagische Wesen zum Ausdruck.

 

Das Land schließlich wird immer häufiger als Mutter geschildert, nicht nur in der ausführlichen Darstellung des typischen landschaftlichen Brauchtums wie in dein zärtlichen Heimatgesang „Mutter Ostpreußen", sondern in wachsendem Maße als Mutter, zu der ihr Kind im Tode zurückkehrt. Schon in einem 1907 veröffentlichten Gedicht heißt es da:

O große Mutter, dunkle Heimaterde,
Hör gnädig an, was ich dich bitten werde:
[...] O wieg wie eine gute Kindermuhme
Mein müdes Haupt zur Ruh in deinem Schoß.
Schreckt mich Erinnerung auf, - o selig Los
Zu spüren in der Gruft purpurner Nacht,
Dass du es bist, die meinen Schlaf bewacht!'"

Oder 1952 liest man in „Annemaries Lied":

Heimat, nur vorbestimmte, du mein geliebtes Land,
Lass mich in dir vergehen, wie ich aus dir erstand!
In deinem grünen Samland, zwischen See und Vaterstadt,
Rüste mir liebste Mutter, meine letzte Lagerstatt!

So zieht sich das Mutterbild der heimatlichen Natur durch Jahrzehnte von Agnes Miegels Schaffen, in zahllosen Textbezügen, die hier nicht alle genannt werden können. Am bewegendsten ist dieser vertrauensvollzärtliche Anruf jedoch, wo erst in der tiefsten Verzweiflung, im Angesicht des Todes eine Umwertung stattfindet, ein demütiges Sich-Fügen nach allem bitteren Leid in diese Mutter-Kind-Beziehung, in der der Mensch Frieden und Geborgenheit wieder findet. In der Ballade „Die Frauen von Nidden" stirbt ein ganzes Nehrungsdorf an der Pest, und nur sieben Frauen bleiben übrig, die so verlassen nicht mehr weiterleben wollen, sich gar von Gott vergessen glauben und sich nun Hilfe suchend an die
weiße Wanderdüne wenden, die ständig ihr Leben bedrohte.

Nur, Mütterchen, komm uns zu begraben!
Schlage uns still ins Leichentuch,
Du, unser Segen, einst unser Fluch,
Sieh, wir liegen und warten ganz mit Ruh
- Und die Düne kam und deckte sie zu.

Nicht minder erstaunlich ist die Anrede der Erde als Mutter in einem Gedicht, das Agnes Miegel im dänischen Lager schrieb, nachdem auf der Flucht und in den ersten Monaten im Exil unzählige Menschen, besonders kleine Kinder, gestorben waren. Trotz allen Schmerzes über den gerade erst erlittenen Verlust der Heimat, trotz der ungewissen Lage im stacheldrahtumzäunten Lager in fremdem Land wendet sie sich in schicksalswilligem Urvertrauen an diese Erde Dänemarks:

O Erde Dänemarks, die Zuflucht uns geboten,
Gib letzte Ruhstatt unsern müden Toten!
[...]Du Erde, wardst der Kleinen Heimatland,
Sie haben dich als Mutter nur gekannt.
[...]Aus deiner Hut kann nichts mehr sie vertreiben.
Wir müssen weiterwandern. Sie nur bleiben
Und gehen wie Kind vertrauend in dich ein,
Und werden Staub von deinem Staube sein!

"Die Heimkehr" ist eine Erzählung überschrieben, die auf den ersten Blick nicht zu diesem Titel zu passen scheint. Vater Cuthbert, ein alter irischer Mönch, der als Priester in der Bergwelt Tirols lebt, kehrt nicht zurück auf seine unvergessene kleegrüne Insel mit ihrem Brandungsrauschen, das er noch immer im Traum hört. Er liebt die Menschen und die ganze Schöpfung, nur vor Schlangen empfindet er Grauen und Abscheu. Als er jedoch einen Ruf vernimmt, wie ein Wesen in Todesnöten seinen Trost begehrt, gellt sein Abscheu unter in Mitleid, „im Verlangen, dem Sterbenden die Angst zu nehmen, die zu der körperlichen Qual hinzukam", und so finden ihn zwei andere Brüder schließlich finit dem „Frieden, der höher ist als alle Vernunft im sterbenden Antlitz, und seine erkaltende Hand streichelte die zerquetschte kleine Kreuzotter in seinem Schoß. " Heimkehr ist hier die Vollendung seines Wesens, die Überwindung seines Ekels vor jener Kreatur, die auch zur Schöpfung gehört. Heimkehr ist der Frieden mit sich und mit Gott, ist Versöhnung und Tod, ist die grenzenlose Liebe.


Heimkehr in einem ähnlichen Sinne ist auch das Thema der Erzählung „Der Ruf", die von der Wanderschaft des greisen Odysseus handelt. Er muss wandern, bis er so fern seiner Heimat ist, dass niemand mehr das Ruder kennt, das er trägt. Schließlich vernimmt er einen dreimaligen Ruf, „wie der Ruf des Muschelhorns, den er einst im Tempel des Zürnenden vernommen, den auch sein Herz nicht mehr zu nennen wagte, seit er zuletzt zu ihm gefleht." Da erfüllt sich die Weissagung, und nachdem er ein krankes Kind in dem heiligen Salzquell geheilt hat, findet er selbst die ersehnte Erlösung und Versöhnung mit seinem Gott, der ihm in der vernichtenden Flutwelle des Erdbebens begegnet. Fern seiner Heimat findet er dennoch heim in einem nicht mehr rational erklärbaren Sinne."

 

 

Und was das Bläserquintett von der Musikhochschule Münster spielte:

 

 

 


 
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Der Trakehner Hengstmarkt wird in diesem Jahr das 275-jährige Gründungsjubiläum des Hauptgestüts Trakehnen ganz besonders würdigen. Vier Tage lang, vom 25. – 28. Oktober stehen die Holstenhallen in Neumünster/Schleswig-Holstein zum 45. Mal im Zeichen der Trakehner Pferde, ihrer Züchter, Besitzer und Freunde.

Der Trakehner Verband würde sich freuen, auch aus Ihren Reihen zahlreiche Gäste begrüßen zu dürfen. In der Anlage übersende ich Ihnen einen Pressetext mit der Bitte um redaktionelle Berücksichtigung. Honorarfreie Fotos und nähere Informationen zur Veranstaltung erhalten Sie direkt in der Geschäftstelle des Trakehner Verbands bei Frau Ulrike Bustorff oder Frau Katrin Czock unter der Telefon-Nummer 04321-9027 20 / 10.

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Mal etwas Privates vom Webmaster, das vielleicht auch interessiert, er ist nämlich nach Santiago da Compostella gepilgert, seinen Bilderbericht finden Sie unter http://freenet-homepage.de/kranlucken/santiago.htm . Ja, und wenn ich unterwegs irgendwo nach meiner Herkunft gefragt werden, dann schreibe ich immer Braunsberg (East Prussia oder Prusse orientale) oder in Spanien Prussia del este. Dann ist gleich immer alles klar! Notfalls kommt man auch ins Gespräch!

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Modell des 1945 zerstörten Zentrums im Touristenamt in Braunsberg:

 

 

Das Modell mit Rathaus (Mitte), Steinhaus (oben Mitte), Gymnasium (oben links), Post (rechts neben dem Steinhaus), Kloster (eher unten links), das zum Patenschaftsjubiläum Braunsberg-Münster vor zwei Jahren von Freunden in Vietnam so realistisch wie möglich nach alten Fotos geschaffen wurde, ist jetzt in Braunsberg in einer Vitrine zu sehen, sozusagen als Dauerleihgabe der Kreisgemeinschaft.

 

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Suchanfrage: Von den Heimatbriefen ab Nr. 8 haben wir ausreichend auf Lager, von den früheren haben wir nicht mehr so viele oder gar keine. Besonderes Nr. 7 (der über die Vertreibung) fehlt uns - bevor Sie diese Heimatbriefe "entsorgen", denken Sie bitte an uns! Wir würden sie gern "zurückhaben"! Bitte e-Mail-Kontakt!

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Nach Braunsberg gibt´s ein deutsches Straßenschild? Leider nein - oder noch nicht? Denn es dreht sich um Braunsberg in Kärnten, etwa 15 km von Gurk entfernt, wo der berühmte Dom ist, und alles liegt etwa 30 km nördlich des Wörther Sees. Ich, also der Webmaster, war dort in der Gegend zusammen mit dem Vorsitzenden der Prussia-Königsberg Professor Brilla, der dort hochoben in den Bergen ein altes Bauernhaus besitzt, das er früher nicht nur mit seiner Familie sondern auch schon oft mit seinen Studenten der Humanbiologie für Exkursionen nutzte. Professor Brilla hielt in der Gemeinde Glödnitz einen Vortrag über Ostpreußen und eröffnete eine Ausstellung über die Landwirtschaft in Ostpreußen, damit die Kärntner einmal erfahren, was es so alles in Deutschland gibt....

Hier geht´s also nach Braunsberg.

Blick auf Braunsberg in Kärnten

Ein Kärntner und ein ostpreußischer Braunsberger. Der Kärntner Braunsberger erzählte, dass er in seinem Leben wohl schon u. a. einen Tankwagen Bier getrunken hätte...

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Und wie der Braunsberger Panzerfahrer Helmut Krieger im Januar 1945 mit seiner rheinischen Braut eine Spritztour aus dem Rheinland nach Braunsberg machte, finden Sie HIER!

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Und noch etwas: In Siebenbürgen fanden wir Straßenschilder und Kanaldeckel mit den Namen in beiden Sprachen, wäre das nicht eine Idee für unsere Heimat?

Die Rumänen haben allerdings einen deutschen Bürgermeister gewählt, also einen, der weiß, wie man ans Geld für die Stadtsanierung kommt. Offensichtlich sind sie schlauer als die Polen!

Die Fotos wurden aufgenommen im Januar 2007. Als ich sie in Braunsberg der Bibliotheksdirektorin und andren beim Blättern in dieser Website zeigte und die Idee mit den doppelsprachigen Aufschriften als Zukunftsvision für Braunsberg pries, da zuckten alle doch hörbar ein wenig...

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"ICH HEISSE JETZT NECHAMA"

Geschichte eines Lebens zwischen Königsberg i. Pr., Moldawien und Israel
Mit einem Vorwort von Michael Wieck, Nachwort von Jutta Hartmann.

"Mein Schicksal und das meiner Schwester war so hart, dass wir es nicht vergessen können. Ich will versuchen, mir alles von der Seele zu schreiben und alles so zu schildern, wie es wirklich war." (Nechama Drober)

Nechama Drober (80), geborene Hella Markowsky, schildert in ihren Lebenserinnerungen topografisch genau das Königsberg ihrer Kindheit. Sie erzählt von der Herrschaft des Nationalsozialismus, beschreibt die Zerstörung Königsbergs durch alliierte Bombenangriffe und den Einmarsch der Roten Armee. Als Tochter eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter erlebte sie während des Nationalsozialismus Ausgrenzung sowie die Deportation und Ermordung von Freunden und Verwandten. Mit der Einnahme Königsbergs wurde ein stalinistischer Rachefeldzug eröffnet, wovon insbesondere der weibliche Bevölkerungsteil betroffen war. Bis zur Ausreise nach Israel im Jahre 1990 lebte Hella Markowsky, die zunächst kein Wort russisch sprach, mit ihrer Familie in der Sowjetrepublik Moldawien, wobei ihre Lebenserinnerungen bis in die allerjüngste Zeit der Begegnung mit überlebenden Königsberger Klassenkameradinnen reichen.

Herausgegeben vom Haus der Heimat
des Landes Baden-Württemberg Stuttgart 2007.
85 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.
ISBN 978-3-00-019740-6
Schutzgebühr: 5,-- Euro

Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg
Schlossstr. 92, 70176 Stuttgart
Tel. 0711 / 66 95 110
Email: Poststelle@hdh.bwl.de
Siehe auch unter: www.hdhbw.de

www.braunsberg-ostpreussen.de