Ordensburg Schaaken im Samland (Ostpreußen)

Wiederaufbau als deutsch-russische Begegnungsstätte

1. Motivation

Ich bin im Jahre 1935 in Königsberg geboren worden. Meine Mutter, geborene Riebensahm, war Tochter des Pächters der Burg und Domäne Schaaken. Während meiner ganzen Kindheit bis zur Vertreibung 1945 war die Burg Schaaken immer Mittelpunkt der Großfamilie und ist mir dadurch in lebhafter Erinnerung geblieben. Daher war es für mich selbstverständlich, nach der Öffnung des Oblast Kaliningrad so bald wie möglich Schaaken wieder zu sehen. Als Ergebnis mehrerer Besuche erwuchs in mir die Idee, einen Wiederaufbau des Gebäudes zu versuchen, um..

  • für mich und andere, die noch in Ostpreußen geboren sind, ein kleines Stück der Heimat wieder zu beleben und in die Zukunft zu retten;

  • den eigenen Nachkommen einen Ort zu schaffen, an dem sie wenigstens als Besucher das große Erbe ihrer Vorfahren lebendig begreifen können;

  • den heute dort Lebenden Menschen Anreiz und Möglichkeit zu schaffen, um sich in die Geschichte Ostpreußens einzuleben und die besonderen Chancen dieses Landes für ihre eigene bessere Zukunft zu nutzen.

Der verantwortlich empfindende und redlich denkende Mensch hat eine Verpflichtung, das Erbe der Vorfahren zu erhalten, zu pflegen und lebendig an nachkommende Generationen zu übergeben - wo immer ihm das möglich ist!

 

2. Rechtfertigung eines Wiederaufbaues aus der historischen Bedeutung

Zunächst: Wo liegt Schaaken, was stellt es dar.

 

 

In der Luftlinie ca. 24 Km nord-nordöstlich von Königsberg, am Fuß des Kurischen Haffes, von dessen Ufer ca. 3 km entfernt - dort liegt Schaaken: Die alte Ordensburg thront erhöht auf einer Art Warft noch aus prussischer Zeit und überragt dadurch das umliegende, tellerplatte Land schon von vornherein um ca. 2-3 m. Diese ,Warft` hat die Form eines unregelmäßigen Vielecks. An Ihrer Nordflanke erhebt sich der eigentliche Burgbau, die anderen Schenkel sind von einer bis zu 2 m hohen Ringmauer aus Feldstein eingefriedet. Ein Flüßchen - die Schaaker Beek - umspült die südliche Flanke.

Etwa 1270 auf einer prußischen Wallburg erbaut, hat die Ordensburg daher eine polygonale Wehrmauer. Blick auf das z. T. erhaltene Burggemäuer (im 19. Jahrhundert restauriert). Die Aufnahme stammt von der Exkursion der PRUSSIA im Jahr 2002. (Foto K. Behrens)

Westlich davon breiten sich die alten Ställe und Scheunen des früheren Gutshofes ( der Domäne, 600 ha. umfassend ) aus, nach Südosten schließt sich das fast ebenso alte Straßendorf Liska Schaaken an. Es sieht heute so aus, wie viele andere Dörfer im russischen Ostpreußen auch und geht in den Ortsteil Kirche Schaaken über. In Kirche Schaaken ist leider der wichtigste Teil, nämlich die Kirche, nur noch ein trauriger Trümmertorso und wohl für immer verloren. Nördlich davon liegt schließlich das Fischerdörfchen Schaaksvitte direkt am Haff. Von Schaaksvitte über Kirche Schaaken führt eine Landstraße nach Süden und mündet östlich von Neuhausen auf die Chaussee Königsberg - Labiau. Von Kirche Schaaken aus westwärts durch das Dorf hindurch und an der Ordensburg vorbei schlängelt sich eine alte, noch gut befahrbare Landstraße ca. 7 km weit bis nach Powunden. In Powunden ist heute der russische Flugplatz Königsberg, und von dort aus geht es über die einzige in westlichem Niveau asphaltierte Straße des Oblast zügig zur Cranzer Allee und weiter nach Königsberg.


Entstehung und historischer Werdegang der Ordensburg

Nach den vorhandenen Quellen sind die Anfänge der Ordensburg Schaaken auf das Jahr 1270 zu datieren. Jedenfalls ist sie auf den Resten einer vorigen prussischen Wallburg errichtet worden, was bis heute in der für Ordensburgen untypischen, weil nicht streng rechtwinkligen, sondern ringförmigen Konzeption des eigentlichen Burghofes erhalten ist. Das Haupthaus ( um das es hier geht ) hat demzufolge einen trapezförmigen Grundriß. Diese eigenwillige, untypische Ring- bzw. besser gesagt Vieleckform der Anlage, die auch für die später bischöfliche Burg Powunden galt, hat ihr Ursache wohl in folgendem: Gegen Ende des 13. Jahrhunderts, als das Samland schon vollständig erobert war und der Orden sich bereits mit den Litauern auseinandersetzte, brachen Prussenaufstände aus und die Litauer starteten ihrerseits schnelle und gefährliche Feldzüge gegen das Samland und Königsberg - vorzugsweise wintertags über das Eis des Haffs. Da lag es nahe, daß die Ordensbrüder die vorhandene prussische Wallburg Schaaken (prussisch Schooke' oder Soke' = Grasland ) benutzten, um sie eiligst zu einer Flucht- und Schutzburg auszubauen, ohne erst viel an der Grundkonzeption zu ändern.

In einer Urkunde von 1328 wird Schaaken erstmalig erwähnt und um diese Zeit wohl auch in Backsteinmauerwerk aufgeführt und erweitert. In ihrem Endzustand umfaßte die Anlage eine große Anzahl verschiedenster Gebäude, die auf insgesamt drei Burghöfe verteilt waren. 1397 wird Schaaken zum Pflegeamt, d.h. Verwaltungsamt für das Samland unter der Komturei Königsberg erhoben. Es sind insgesamt 21 Ordensritter bekannt, die bis 1503 das Amt des Pflegers inne hatten und im Ordensstaat teilweise zu höchsten Ämtern aufstiegen.

Nach der Auflösung des Ordensstaates wurde Schaaken zu einem Kammeramt im Herzogtum Preußen. Der jeweilige Amtshauptmann nannte sich Vogt des Samlands, verfügte über entsprechende Vollmachten, Privilegien und damit Einkünfte und zählte wie seine

Kollegen in Fischhausen , Brandenburg und Tapiau zu den engsten Beratern des Herzogs. Im Jahre 1606, als der damalige Amtshauptmann gerade in Warschau weilte, um beim polnischen König und Lehnsherren Klage gegen seinen Kurfürsten wegen Verletzung von Privilegien zu führen, fiel die gesamte Burganlage einem Großbrand zu Opfer. In der Folgezeit wurde die Anlage nur teilweise wieder aufgebaut, gleichzeitig sank die Bedeutung des Kammeramtes im zunehmend zentral regierten Herzogtum und späteren Königreich Preußen. Schließlich war die Burg Schaaken nur noch Wohnsitz des jeweiligen Pächters der zugehörigen Domäne.

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hat die Burg ihren letzten großen Um- und Ausbau erfahren. Wohl unter Einfluß der aufblühenden deutschen Romantik wurde das Haupthaus mit gotisierenden Blenden, Zinnen und Ecktürmchen versehen. Diese Zutaten haben sicher wenig mit dem ursprünglichen Ordenshaus zu tun, verleihen dem Gebäude aber sein jetzt gültiges charakteristisches Antlitz. In diesem Bauzustand ist das Haus 1945 unversehrt den Russen in die Hände gefallen. Es hat - meist ungenutzt - fast die ganze kommunistische Ära im wesentlichen heil überstanden. Erst nach dem Zusammenbruch des Sowjetstaates sind - Ironie des Schicksals - auch in Schaaken schwere Einbrüche an Dach und Mauerwerk aufgetreten.

Nach Quellen, die Anatoli Bachtin zitiert, soll zwischen 1711 und 1717 der Zar Peter der Große im Zuge dreier Reisen ins westliche, Ausland jeweils in Schaaken Station gemacht haben, indem er nämlich die nächste bzw. vorige Etappe von bzw. nach Memel per Schiff über das Kurische Haff zurückgelegt habe. In Fortsetzung dieser Gepflogenheit hat während des siebenjährigen Krieges der russische General Suworow in Schaaken sein Hauptquartier aufgeschlagen.

Für die heutige russische Bevölkerung sind diese Ereignisse sicher besonders bemerkenswert.

Die Ordensburg Schaaken darf also sowohl wegen ihrer Geschichte als auch wegen ihrer besonderen Grundkonzeption als prädestiniert für einen Wiederaufbau erscheinen, um mit ihr und in ihr die Entwicklung des ganzen nördlichen Preußenlandes zu dokumentieren. Da sie außerdem von ihrem Bauvolumen her sehr viel kleiner ist als z.B. Balga, Brandenburg, Georgensburg oder Ragnit erscheint die Wiederherstellung auch eher realisierbar.

 

3. Sinnvolle künftige Nutzung als Bedingung für einen Wiederaufbau

Ohne sinnvolle spätere Nutzung in verantwortlichen Händen ist jede Wiederherstellung deutscher Kulturdenkmale im Oblast vergebliche Liebesmüh, gleichgültig ob Kirche, Burg, Schloß oder was auch immer. Das Objekt langer und teurer Bemühung würde ohne sie in kürzester Zeit wieder geplündert und dem Verfall preisgegeben werden. Darüber ist sich jeder realistisch Denkende klar.

Es drängt sich die Idee auf, in der Ordensburg Schaaken ein Seminarhotel als Begegnungsstätte einzurichten. Ein Haus also, dazu bestimmt und geeignet, Veranstaltungen durch zu führen, die der Begegnung von Deutschen und Russen ( und Franzosen und Engländern etc. ) aller Altersklassen und Bildungsstufen dienen, damit sich die Teilnehmer gegenseitig besser kennen und verstehen lernen, damit sie gemeinsam die ostpreußische Geschichte erlernen, die vormalige Bedeutung des Landes begreifen und Gedanken über seine mögliche künftige Entwicklung austauschen. Dabei ist vorzugsweise an Jugendgruppen und an den akademischen Nachwuchs zu denken.

Eine zusätzliche, geradezu ideale Nutzung ergäbe sich dann, wenn es gelingen könnte, den alten Gutshof (heute zur Kolchose Nekrasovo gehörend) als Institut der Universität zu einer modernen landwirtschaftlichen Lehranstalt auszubauen (Schwerpunkt: Weidewirtschaft, Gemüseanbau; auf jeden Fall Entwässerung,

Bodenmelioration etc.) und dann dort den so dringend benötigten Nachwuchs für die Rekultivierung des nördlichen Ostpreußen auszubilden.

Solche Nutzung ist natürlich nur möglich, wenn es gelingt, die heutige Kaliningrader Universität als (Kosten-)Träger und Betreiber der fertigen Anlage zu gewinnen - sinnvoller Weise in Partnerschaft mit entsprechenden deutschen Instituten, z.B,. der Patenuniversität Göttingen. Die Chancen, Kaliningrader Professoren für das Projekt zu interessieren, dürften eigentlich nicht gering sein, mangelt es ihnen doch jedenfalls an einem Gebäudekomplex, der zugleich repräsentativ und geeignet ist, um hochkarätige ausländische Kollegen zu mehrtägigem Gedankenaustausch im Oblast zu begeistern. Dabei dürfte es auch nicht negativ gewichten, daß Schaaken ca. 35 km von Königsberg entfernt liegt (aber doch in direkter Verlängerung der einzigen gut ausgebauten Straße nach Powunden und von dem dortigen Flughafen nur ca. 7 km entfernt ). Zahlreiche Anlagen mit ähnlicher Zweckbestimmung hat man im Westen bewußt außerhalb der Großstädte mit ihren Ablenkungen angelegt.

Für die Zeiten, in denen Begegnungs- oder Lehrveranstaltungen nicht stattfinden, soll das Haus auch als normales Touristenhotel genutzt werden können, um die Anlage wenigstens (teilweise) kostendeckend zu betreiben. Mit gediegenen Zimmern, aufmerksamer Bewirtung, ansprechender Architektur und gepflegtem Garten und Burghof werden auch die Reiseveranstalter mit den Pauschaltouristen zu finden sein, die hier ihre Gäste zur` Nachtruhe ausladen.

Ein Wiederaufbau zu solcher Nutzung setzt natürlich voraus, daß unter Wahrung des architektonischen Gesamtbildes die für ein ,Seminarhotel` erforderlichen Räumlichkeiten und Ausstattungen unter zu bringen sind. Daher ist der Bau im März 2000 mit Hilfe des russischen Architekten Juri Sabuga durch ein Königsberger/Kaliningrader Projektierungsbüro vermessen worden ( Länge, Breite, Höhe, Mauerstärken etc.). Aus den so gewonnenen Daten ist unter zusätzlicher Auswertung alter Fotographien und Lagepläne in digitaler PC-Technik sowohl ein Grundriß des status quo ante (1945) als auch ein Entwurf für den Wiederaufbau erstellt worden. Das zwar laienhaft, aber nicht naiv. Ein Architektenentwurf wird die Realisierbarkeit sicher bestätigen.


Aufriß Süd- und Nordseite sowie Grundriß 3 Etagen wieder aufgebaute Ordensburg Schaaken:

 

 

 

 

 

 

4. Was ist zu tun, um einen Wiederaufbau zu realisieren ?

Solcher Wiederaufbau von Schaaken erfordert mit Sicherheit einen Finanzaufwand von mehreren Millionen DM. Wenn diese Summe überhaupt aufzutreiben sein sollte, dann jedenfalls nur Letter der Voraussetzung absolut sicherer Rechtsverhältnisse. Das gilt um so mehr, als für die angestrebte idealistische Nutzung kaum gewinnorientiertes Risikokapital zu finden sein dürfte. Vielmehr wird sich die ganze Finanzierung nur auf Spenden und öffentliche Zuschüsse stützen müssen. Die öffentlichen Zuschüsse werden dabei den größten Teil ausmachen und ausschließlich aus Deutschland kommen müssen.


Aus dieser Sachlage ergibt sich:

Zum ersten muß in Deutschland ein Förderverein entstehen, der die Idee publik macht und daran arbeitet, die erforderlichen Sponsoren und Spenden aufzubringen, um einen angemessenen Eigenanteil der Finanzierung zu sichern.

Zum zweiten muß - praktisch gleichzeitig - in Königsberg ein Förderkreis gewonnen werden - möglichst zahlreich aus dem Lehrkörper der Universität - der dort die Idee publik macht und möglichst auch einen gewissen Betrag an privaten Spenden als Eigenanteil aufbringt.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß seit März dieses Jahres 2000 in Königsberg eine Stiftung ,Fond Burg Schaaken´ besteht, die von einem Herrn Tornewskij gegründet worden ist. Lt. Satzung - 13 Artikel - hat sie zum Ziel, Finanzmittel zum Wiederaufbau der Burg Schaaken als Baudenkmal des 13. .Jahrhunderts, zu ihrer Ausgestaltung als Museum des Mittelalters lind zu ihrer Nutzung als Bildungsanstalt zu beschaffen. Inn Internet hat diese Stiftung dazu ein 11-seitiges Exposé ans der Feder des Gebietsarchivs Anatoli Bachtin plaziert (http://www.enet.ru/~kc/SCHAAKEN/ ).


( Es liegen die kompletten Texte sowohl der Internetseiten als auch der Satzung in russisch und in deutscher Übersetzung vor.)

Es ist sicher richtig, mit dieser russischen Stiftung baldigst Kontakt auf zu nehmen. Jedenfalls ist endlich der eigentliche Trägerverein zu bilden, welcher in der zweckmäßigen russischen Rechtsform die erforderlichen Verträge mit der Oblastverwaltung und anderen Behörden abschließt, die Finanzmittel verwaltet und schließlich als verantwortlicher Bauherr (und späterer Träger) der Anlage alle Baumaßnahmen ausschreibt und überwacht.

Die unabdingbare Finanzierung des Vorhabens mit öffentlichen Mitteln wird dann, aber auch nur dann zu erreichen sein, wenn es gelingt, die maßgeblichen Köpfe in Königsberg/Kaliningrad, in Moskau und in Berlin davon zu überzeugen, daß das Projekt im besten Sinne der Völkerverständigung und der friedlichen Entwicklung der Region dient.

Wir Ostpreußen wiederum werden um so mehr Einfluß auf eine ostpreußische Gestaltung und Wirkung der wieder auferstandenen Ordensburg ,Seminarhotel Burg Schaaken` haben, je mehr wir fähig sind, einen maßgebenden finanziellen Eigenbeitrag zu leisten.

Ratingen, im Oktober 2000

Verantwortlich: Axel Doepner

Am Ostbahnhof 14

40878 Ratingen

Telefon: 02102/84 46 68

 

Diese Seite wurde provisorisch ins Internet gestellt von der Kreisgemeinschaft Braunsberg (Ostpreußen)

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